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Was macht ein gutes Naturfoto aus? – worauf ich achte

Lesezeit circa 25 min.

Heute möchte ich mich gerne einem Thema widmen, das mir regelmäßig begegnet. Immer wieder werden mir Fragen gestellt, die sich in der Sache sehr ähneln:

 

Wie kann ich meine Bilder verbessern? Wie gestalte ich ein gutes Foto? Welche Fehler mache ich aktuell noch? Wie beurteile ich vor Ort ob eine Szene taugt? Und so weiter…

 

Nun gibt es innerhalb der Naturfotografie sehr viele unterschiedliche Bildstile und Genres. Und somit mindestens genauso viele Antworten auf diese Fragen. Ich kann sie nur für meinen fotografischen Stil beantworten und versuche das heute so gut es eben geht 😉 Dabei kann ich nur den Stand meiner Erfahrung teilen, denn die Sache mit dem Lernen hört ohnehin nie auf!

Meine Denkaufgabe

Um sich genannten Fragen zu nähern, musste ich mich selbst erst einmal in Ruhe damit auseinandersetzen: was macht für mich persönlich ein (sehr) gutes Bild aus? Mir wurde diese Frage auch letztes Jahr im Podcast Interview von Nicolas Alexander Otto gestellt. Ich konnte sie nicht wirklich spontan beantworten, weil mittlerweile sehr vieles unbewusst bzw. intuitiv abläuft.

 

Für diesen Blogbeitrag habe ich mir schließlich die Mühe gemacht und versucht, genau das auf den Punkt zu bringen.

 

Zunächst hatte ich überlegt, mit Hilfe einer konkreten Situation, z.B. an einem bestimmten Strand auf Island, die Entstehung „eines guten Bildes“ zu erläutern. Schritt für Schritt. Das Problem dabei ist, dass jede Landschaft, jede Vegetation etc. ganz andere Herausforderungen birgt und die Übertragbarkeit auf andere Situationen kaum gegeben ist.

 

Also bin ich die Abstraktionsleiter eine Stufe hinaufgeklettert und versuche nun aufzuzeigen, nach welchen Prinzipien bzw. Kriterien ich eine Perspektive auswähle - egal ob am Meer, im Wald, in der Heide, in den Bergen oder sonstwo.

Schließlich kam ich auf sieben Kriterien.

 

Hier erstmal im Überblick:

8. Die Innovation

Diese Kriterien wecken dann in Summe möglichst Emotionen - mal mehr und mal weniger - darum geht es letztendlich.

Wichtig zum Verständnis: selbst meine persönlichen Lieblingsbilder erfüllen meist nur fünf bis sechs dieser sieben Kriterien.

 

Die nachfolgenden Erläuterungen sind kein vollumfängliches Schritt-für-Schritt Tutorial, das auf alle Grundlagen eingeht. Im Wesentlichen habe ich oben ich die Frage beantwortet, was ein gutes Naturfoto ausmacht und gebe jetzt noch ein paar Hinweise zur Umsetzung, die mir besonders wichtig erscheinen. Vor allem in Bezug auf Fehler, die hier schnell passieren und einfach zu vermeiden sind.

Achtung: für reine Anfänger ist der Artikel weniger geeignet. Zweidrittel der Inhalte sind eher für sogenannte „Aufsteiger“ mit technischen Grundkenntnissen und ersten Erfahrungen „im Feld“ interessant, die übrigen Themen sind aber durchaus auch für FotografInnen mit etwas mehr Erfahrung interessant – das hoffe ich zumindest 😉.

Nun geht´s los mit den Tipps zur Umsetzung, ich wünsche euch viel Spaß!


1. Die „Reinheit“: das Bild ist „clean“ und frei von Störungen

Wenn ich mit meiner Kamera in der Natur unterwegs bin, versuche ziemlich kompromisslos störende Bildelemente zu vermeiden. Für mich wirken sich solche Elemente negativ auf die Bildbeurteilung aus. Kondensstreifen am Himmel, Hochspannungsleitungen am Horizont, überstrahlte Elemente im Hintergrund - hierzu hätte ich zahllose Beispiele.

Nicht immer sind es unnatürliche, offensichtlich störende Elemente wie die oben genannten. Viel häufiger bringen an guten Naturfoto-Orten auch natürliche Elemente zu viel Unruhe ins Bild – etwa unharmonische Wolken- oder Wellenformen, angeschnittene Steine und Felsen, Baumstümpfe, hineinragende oder abgebrochene Äste, helle überstrahlte Flechten und vieles mehr.

Was heißt es, solche Bildelemente „kompromisslos vermeiden“, wie kann ich das tun?

Das ist relativ einfach, wenn es keine fotografische Lösung gibt, heißt die Devise: konsequent weitergehen und eine Alternative suchen. Klingt sehr banal, aber genau DAS kostet dich am Anfang Qualität und viel Zeit – man beschäftigt sich zu lange mit dem „falschen“ Motiv, obwohl vielleicht 500m weiter das „richtige“ auf dich wartet.

Ich möchte den Punkt gleich etwas schärfen, weil er enorm wichtig ist: natürlich gibt es für viele Störungen fotografische Lösungen. Häufig reicht einfaches „Warten“, zum Beispiel bei einem unharmonischen Wolkenbild. In dem Falle bringt es nichts, sich eine andere Stelle zu suchen.

Mir geht es hier aber um Bildelemente, wo es keine solche Lösung gibt. Und es geht mir nicht darum, einen schlechten Spot oder ein unbrauchbares Motiv zu erkennen und links liegen zu lassen. Das sind Basics und nicht Gegenstand dieses Artikels. Das hat man auch schnell gelernt. Es geht darum, ein ganz gutes Motiv liegen zu lassen und weiterzugehen. Zu einem sehr guten. Und das ist nicht immer einfach, auch für mich nicht.

Achtung, ein Warnhinweis an dieser Stelle 🤣 Mir ist völlig bewusst, dass dies ein sehr ambitionierter Gedanke ist. Manch einem geht da glatt der Spaß „flöten“. Das respektiere ich. Aber ich versuche heute zu beschreiben wie man statt nur „Guter“ eben „sehr Gute“ Bildergebnisse erhalten kann und die fallen meiner Erfahrung nach nicht vom Himmel sondern setzen auch mal eine hartnäckige und sehr selektive Arbeitsweise voraus.

Dazu ein einfaches und dennoch klassisches Beispiel: Wenn ich im Hohen Venn in Sachen weitwinkliger Landschaftsfotografie unterwegs bin, kann es vorkommen, dass der Himmel bei zu gutem Wetter dauerhaft mit lang anhaltenden Kondensstreifen versehen ist.

Was ich dann mache? Ganz einfach: ich lasse ich mein Weitwinkelobjektiv tatsächlich in der Tasche und hake den Tag sofort dahingehend ab. Es gibt dafür so viele gute Tage, heute ist kein solcher. Doch für andere Motive ist er ideal.

Ich greife zum Beispiel sofort zum Teleobjektiv und suche mir etwa einen schönen Baum am Waldrand oder ein Makromotiv am Wegesrand. Klar, wenn ich im Nachhinein massiv mit Photoshop oder Luminar eingreifen würde, könnte ich das umgehen, aber das ist nicht meine Vorstellung von Naturfotografie.

Was dagegen spricht? Natürlich ist es immer mit einem gefühlten Risiko verbunden, eine „gute“ Szene in der Hoffnung auf eine „sehr gute“ aufzugeben. Denn vielleicht habe ich gerade ein sehr schönes Vordergrundmotiv vor mir, es ist absolut windstill und das Licht bereits schön weich. Die paar Kondensstreifen? Dann nehme ich halt weniger Himmel und störe mich nicht so sehr daran!?! Diesen Kompromiss gehe ich nicht mehr. Ich fange nicht an, meine Bilder um schlechte Bedingungen herum zu gestalten!

Und es lohnt sich nach meiner Erfahrung in circa 80% der Fälle sehr, bei „Störungen“ weiterzugehen/weiterzusuchen. Zwar kann das also für 20% der Fälle bedeuten, dass ich auch mal leer ausgehe, dafür habe ich zu 80% etwas Besseres gefunden.

Zwei Umsetzungsbeispiele aus der breiten Naturfotografie, die nicht auf ein Genre festgelegt ist:

Fangen wir mit einem Birkenbild an. Hier wollte ich 2019 ein Weitwinkel-Panorama eines herbstlichen Birkenwaldes in den Niederlanden einfangen. Dafür bin ich mitten in der Nacht aufgestanden, hatte eine lange Anreise und hatte alles gut geplant und zuvor gescoutet. Doch die Kondensstreifen an diesem Tag waren zu massiv, der Bewölkungsgrad auch entgegen der Vorhersage zu gering.

Also habe ich mir dies für ein etwas kreativeres Motiv zu Nutze gemacht, das mir schon lange vorschwebte und für das ich direkte Sonneneinstrahlung, Herbst und Windstille benötigte. Außerdem brauchte ich dafür eine Birke vor einem sehr dunklen Hintergrund und dazu die Sonne in einem bestimmten Winkel. Nun gab es bei allem „Wetterpech“ ja zumindest viel Sonne und eine große Auswahl an Birken und ich fand diese Konstellation nach einer Weile. Somit konnte ich das folgende Bild umsetzen, im Gegensatz zum Panorama ohne störende Bildelemente. Es zeigt eine kamerainterne Doppelbelichtung mit leichter Unschärfe auf dem zweiten Bild.

Ich habe also die eigentlich avisierte Szene aufgrund eines störenden Elementes „fallen gelassen“ und habe schließlich diese hier ohne störende Elemente umsetzen können, die mir im Nachgang sehr gefiel. Ich hatte mich zuvor schon öfter an einer solchen Aufnahme versucht, jedoch ohne Erfolg - wiederum aufgrund störender Elemente. Meist hatte ich nämlich noch im Vordergrund oder im dahinter befindlichen Wald sehr helle Stellen, die eine solche Bildwirkung wie hier nicht zuließen.

 

Dieses Prinzip des „Motiv fallen lassen zugunsten eines Besseren“ wird euch immer wieder in diesem Artikel begegnen.

 

Das zweite Beispiel aus dem Hohen Venn: an diesem Tag war das gesamte Moorgebiet sehr trocken und an den avisierten Wasserstellen die Spiegelungen etwas „fleckig“ und unruhig. Manchmal trocknen solche Stellen komplett aus und bilden wiederum einen grünen Teppich, was sogar interessant aussehen kann – doch an diesem Tag war es weder Fisch noch Fleisch. So gerne ich dort ein schönes Motiv mitgebracht hätte: auch hier habe ich das schnell abgebrochen.

 

Da ich alternativ auch keinen interessanten Baum oder Ähnliches fand, ging ich zu den Spinnennetzen, die ich auf dem Hinweg gesehen hatte. Die Devise dabei: lieber ein schönes Spinnnetz, das mir gut gefällt, als ein Venn-Panorama, mit dem ich immer etwas hadern würde.

Dieses Prinzip wende ich in vielen Situationen an: bei Kreuzfahrtschiffen auf dem Meereshorizont, Algenschaum im Bach oder auf dem Meer, bei umgekippten Baumstämmen im Fluss, Flecken, Löchern, und vieles mehr – die Natur ist hier sehr kreativ 😉

 

Nun muss man nicht gleich immer das Genre wechseln, gerade am Meer oder an Flüssen suche ich mir oft einfach eine andere Stelle und bleibe aber bei der Landschaftsfotografie.

 

Manchmal ist es dabei gar nicht einfach zu beurteilen, ob ein Bildelement störend ist. Letztlich merkt man dann nur zu Hause vor dem Rechner, dass das Bild eben nicht den gewünschten „Wow-Effekt“ bringt.

 

Dafür habe ich einen Tipp: nennen wir ihn die Mal-Methode 😉

 

Stellt euch einfach vor, ihr würdet die Szene, die ihr gerade fotografieren möchtet, malen. Vielleicht nicht in allen Details, aber mit den wesentlichen Bildelementen, sagen wir als laienhafte Skizze.

 

Nun kann man im Gegensatz zum Fotografieren beim Malen auch mal einen Pinselstrich auslassen. Würdet ihr dann alle Elemente -wie vor Ort sichtbar- malen oder würdet ihr etwas weglassen, weil es unharmonisch aussieht? Meist ist die Antwort dann recht einfach. 

 

Schauen wir uns das an einem einfachen Beispiel an. Rein fiktiv: ich bin in den Bergen unterwegs und schaue einen Fluss entlang, der in einen kleinen See mündet, im Hintergrund eine Bergkette. Skizziert sieht das ungefähr so aus:

Der Fluss, die Bäume, die Bergkette – für mich eine stimmige Szene. Die Wolken hingegen empfinde ich nicht sehr „clean“, denn sie sind teilweise angeschnitten. Außerdem sehe ich in der Mitte am oberen Rand zwei kleine Strichspuren von weit entfernten Urlaubsfliegern.

Wenn ich diese Szene frei nach meinem Geschmack malen müsste, würde ich die im untereren Bild rot markierten Elemente einfach weglassen!

Ich folgere daraus, dass ich vor Ort mit meiner Kamera versuchen sollte, diese Elemente zu vermeiden.

Die fotografischen Lösungen dafür sind vielfältig (z.B. Warten bis das Wolkenbild passt, Änderung des Standortes, der Brennweite, der Belichtungszeit, des Aufnahmewinkels etc). Nicht immer gibt es eine Lösung. Hier ist sie jedoch recht einfach: mehr Brennweite nutzen, da ein leichter Zoom in diesem sehr einfachen Beispiel nicht zu Lasten anderer Störungen führt. Als Skizze übersetzt sähe dies mit mehr Brennweite so aus.

Gleichzeitig ist es ein gutes Beispiel dafür, dass man in der Natur häufig abwägen muss. Beispiel: ist mir die größere Bergspitze nun zu nah am Bildrand? Falls Ja, muss ich doch eine andere Lösung finden.

Fazit der Malmethode: versuche abstrahiert zu denken und immer zu reflektieren, ob die wesentlichen Bildelemente harmonisch sind und welche eher billigend in Kauf genommen werden. Finde eine Lösung oder gehe weiter und suche dir eine bessere Alternative 😉

Zur abschließenden Veranschaulichung zeige ich euch noch drei Beispiele aus der Praxis und die ich so nicht (mehr) zeigen würde.

Der bekannte Strand von Jökulsarlon. Hier war ich oft - bis auf seltene Ausnahmen im Sommer, hat man eine große Auswahl an „Eisblöcken“, die man als Protagonisten in Szene setzen kann. Der Bildaufbau ist schon ganz ordentlich, aber bestimmte Dinge würde ich nicht „malen“ 😉 und habe somit die Aktion schnell abgebrochen.

Erstens sind die rechten Eisblöcke nicht die Schönsten: sie haben gräuliche Einschlüsse, schwarze Flecken und sind auch nicht sehr transparent, dadurch haben sie nicht die Strahlkraft des Linken. Außerdem schließt die Welle die um den linken Block läuft nicht sauber ab sondern schneidet den Bildrand, letzteres ist sehr nerdig ich weiß. Aber es geht ja darum was für mich ein gutes Bild ausmacht bzw. was ich als „clean“ bezeichne 😉 Die Lösung; sehr simpel, einfach zu den anderen 500 Blöcken gehen und einen Besseren suchen…

Das nächste Beispiel aus der Tierwelt:

Eigentlich ein „okayes“ Bild, das man -wenn auch nicht als Highlight- mit in eine Gams Serie packen könnte. Wenn da nicht…

...wenn da nicht diese auffälligen Halme wären. Machen wir den Mal-Test: würde man diese Halme mitzeichnen oder den Pinselstrich an der Stelle einfach auslassen? Also beim ersten behaupte ich mal: auf keinen Fall mitzeichnen! Gerade vor dem dunklen Hintergrund lenkt das klar vom Motiv ab. Beim zweiten empfinde ich auch so und über den dritten könnte man streiten.

Die Lösung war hier auch fotografisch möglich und binnen weniger Minuten umgesetzt. Es gab im Umkreis von 300m etwa fünf bis sechs Stellen, die frei von dieser Grasart waren und ohnehin mit schönerem Silbergras bedeckt. Ich habe mich dann fotografisch auf diese Stellen konzentriert; immer wieder stand eine Gams auch in diesen Bereichen. Die „Störungsfreie“- Serie könnt ihr hier sehen 😉: Gämse Vogesen

Ein letztes Bild aus Asturien:

Eine schöne Landschaft, weiches Licht, tolle Steine, Pflanzen. Aber ganz ehrlich würde man diese Wolken so malen?

Ich zumindest nicht. Ich hatte in dieser Situation etwas Glück und konnte mit geringfügig mehr Brennweite wenige Minuten zuvor die dunklen Wolken vermeiden.

Das wars nun zum Thema „clean“. Das erste Kapitel ist hiermit geschafft.

2. Die Perspektive: Eine bewusste Bildgestaltung leitet den Betrachter und erhöht die Dramatik, Spannung, Überraschung, Ruhe oder Harmonie

In der Naturfotografie gibt es viele Methoden, um eine interessante Perspektive zu erzeugen. Ich möchte euch 4 mir wichtig erscheinende Punkte näher beleuchten:

a) Einsatz von Führungslinien

b) Kennen perspektivischer Grundregeln (Einhaltung oder bewusster Bruch)

c) Freistellung und Schärfeverlauf

d) Kreatives Denken „out of the box“

A. Führende Linien sind gerade in der Landschaftsfotografie sehr wichtig. Sie erzeugen je nach Einsatz Dramatik oder Harmonie, führen den Betrachter durchs Bild oder ziehen ihn förmlich „hinein“. Ich suche konsequent nach diesen Linien, was man meinem Portolio auch ansehen sollte. Nehmen wir diese Szene:

An sich eine schöne Situation, in Sachen Licht, Wolken, Motive, Atmosphäre. Ein wenig Diagonale ist durchaus schon dabei, etwa die Wolke oben links oder der schräge Wasserablauf.

Schauen wir uns aber nochmal an, wie es nun mit einer Welle aussieht, die in beiden unteren Ecken deutliche diagonale Linien erzeugt:

Diese Version zieht den Betrachter nochmal heftiger ins Bild hinein. Diese Dynamik ist auch noch passender zur Wetterstimmung und Dramatik dieser Szene.

Nun ist es mit einem Ultraweitwinkelobjektiv an einem Lavastrand nicht gerade schwer, solche Linien zu erzeugen. Deutlich anspruchsvoller ist es z.B. mit Steinen oder Pflanzen im Vordergrund. Schauen wir uns dazu diese Szene an:

Bei Steinlandschaften findet man auch oft Diagonalen, hierbei brauch man allerdings teilweise etwas länger, da 10cm nach rechts, links, oben, unten enorm viel in der Perpektive ausmachen. Für diese Szene habe ich mein Stativ bestimmt 10-20 mal minimal angepasst. Wichtig ist dabei vor alle die Höhe, oftmals lohnt es sich sehr niedrig zu gehen, wenn man Diagonalen erzeugen möchte.

Doch nicht nur in der Landschaftsfotografie kann ich dies zum Einsatz bringen, sondern etwa bei abstrakten Bildern von Wasseroberflächen…

...sowie bei Pflanzenbildern:

B. Kennen der Grundregeln

Sogenannte fotografische Grundregeln gibt es viele. Wenn man danach googled kommen teilweise abstruse und praxisferne Artikel zu dem Thema, sehr amüsant. Was die Perspektive angeht sollte man sich in meinen Augen mit der „Drittel-Regel“ und dem „goldenen Schnitt“ auseinander gesetzt haben.

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht diese Grundregeln erklären, sondern anhand eines Beispiels einen kritischen Blick darauf werfen.

Einem guten Bild sieht man es meist an, ob solche Regeln berücksichtigt oder bewusst gebrochen wurden. Mir ist es zu Beginn in der Landschaftsfotografie z.B. recht häufig passiert, dass ich den Horizont sehr weit an den oberen Bildrand gesetzt habe, worüber ich mich im Nachgang oft sehr geärgert habe.

Diese Szene stammt aus Cornwall aus den Anfängen meiner Landschaftsfotografie. Mal abgesehen davon, dass mir hier weitere Dinge in der Umsetzung nicht gefallen, schauen wir nur mal auf die Aufteilung von Himmel und Land. Warum diesen wunderbaren Himmel so stark beschneiden zugunsten des relativ langweiligen unteren Viertels?

Warum mir das häufiger passierte ist schwer zu sagen. Damals gab es noch kein Klappdisplay und ich habe z.B. häufig von oben auf das Liveview-Bild geschaut. Diese Perspektive verzerrt die Proportionen, vielleicht lag es daran.

Ich habe irgendwann angefangen, mir im Liveview die Drittel-Linien anzeigen zu lassen und das hat mir eine gute Orientierung gegeben, die Enttäuschung am heimischen Monitor wurde sofort geringer. Womit ich sagen möchte: diese Grundregeln sind in meinen Augen kein lästiges Regelwerk von Bürokraten, sondern eine sinnvolle Hilfestellung, die bei Bedarf Orientierung geben können.

Doch ab und zu passt diese Regel nicht zum Motiv und dann sollte man sie bewusst brechen. Nehmen wir diese Szene hier:

Egal, ob ich es nach oben oder unten geschwenkt hätte, die perfekte Spiegelung und die harmonische Wirkung in den rechten Ecken wäre zerstört. Bei dieser perfekten Spiegelung passt der mittige Horizont gut.

Fazit: „Grundregeln“ muss man nicht immer anwenden, aber es ist vorteilhaft sie zu kennen.

C. Freistellung und Schärfeverlauf

Das ist sicherlich ein Thema, das in den jeweiligen Genre eine sehr unterschiedliche Rolle spielt. In der Landschaftsfotografie kommt dies eher seltener zum Einsatz, bei Landschaftsdetails, Farben und Formen schon häufiger und in der Makrofotografie kommt man um eine gewisse Freistellung oft gar nicht herum.

Ich finde das Thema recht offensichtlich und möchte daher nur mit 3 kurzen Beispielen darauf eingehen.

Vor allem sollte der Schärfeverlauf zum Motiv passen: die „Freistellung“ kann dabei helfen, ein Bildelement hervorzuheben:

Wäre der Hintergrund komplett scharf, würden die Krümel und der Protagonist bei Weitem nicht so zur Geltung kommen. Sehr wichtig für eine gute Freistellung bei solchen Bildern ist natürlich die Perspektive auf Augenhöhe – somit liegt man häufig auf dem Boden für diese Art Aufnahmen.

Es geht jedoch nicht immer darum, andere Bildelemente gänzlich auszublenden, siehe dieses Beispiel:

Der Grad der Freistellung war genau so gewünscht: etwas Unschärfe im Hintergrund um den Blick auf die Blätter zu lenken, und doch ausreichend Schärfe im Hintergrund, damit sich der Wald mystisch abzeichnet.

Nebenbei führen „Bokeh“-Effekte, hier bestimmte „Unschärfekreise“ bei diesen Freistellungen immer wieder zu interessanten Hintergründen:

D. “Kreatives” Denken: „out of the box“

Es lohnt in der Naturfotografie sehr, sich vor Ort Zeit zu lassen und sich nicht immer auf das Offensichtliche zu stürzen.

Aber wie setze ich ein Bild kreativ um, wie finde ich solche Perspektiven? Ich rate immer mit sehr grundlegenden Dingen zu beginnen, die eigentlich alle mit Bewegung und Flexibilität zu tun haben. Nehmen wir an, ich sehe ein schönes Motiv, etwa einen Baum, womit starte ich?

  • Ändere deinen Standort: gehe einmal komplett um den Baum herum, schaue dir alle Himmelsrichtungen an, in die du fotografieren könntest, mache ein paar Testbilder und wähle die beste Perspektive
  • Schaue dir das Motiv in unterschiedlichen Brennweiten an, wirkt es vielleicht im Ultraweitwinkel besser als mit deinem Standardobjektiv oder aber wäre hier sogar ein Teleobjektiv besser, um ungewünschte Elemente auszuschließen? Probiere alles aus
  • Variiere die Blende und den Schärfeverlauf sowie die Aufnahmehöhe – vom Boden bis zur Vogelperspektive ist alles erlaubt
  • Überlege, ob sich aufgrund der Verhältnisse besonders kurze oder lange Belichtungszeiten eignen, etwa mit Filtern
  • Simuliere, welche Zeit, welcher Sonnenstand, welcher Wind perfekt wäre – wenn das JETZT nicht optimal ist, dann speichere es dir ab und besuche den Ort ein anderes Mal zum richtigen Zeitpunkt
  • Dreh völlig durch und geh in die Extreme: Nutze Fischaugen und Supertele, fotografiere mit der Drohne, mit Neopren und einem Unterwassergehäuse aus dem neben stehenden Teich, mit einem Ultraweitwinkelmakro oder anderen verrückten Hilfsmitteln 😉

Erfahrene FotografInnen, gerade mit einem gewissen Händchen für das räumliche Denken, müssen diese Wege nicht immer ablaufen und alle Objektive wechseln, sondern machen das häufig vor ihrem inneren Auge, das hängt vom Genre und Motiv ab.

Ich möchte dazu ein Beispiel zeigen: das nachfolgende Bild entstand an einem sehr bekannten Ort in den Dolomiten. Ein wunderschöner See mit traumhaften Farben. Mittlerweile aber auch leider ein gut besuchter Hotspot. Als ich dort früh morgens aufschlug, sah ich schon, dass der Himmel anders als vorhergesagt einfach nur blau war und dadurch ziemlich uninteressant. Ich hätte maximal ein mittelmäßiges Bild produzieren können, das außer mir auch etliche andere FotografInnen nahezu gleich umgesetzt hätten.

Schließlich habe ich meine Kamera gar nicht erst ausgepackt, sondern sehr lange auf den See und die Umgebung gestarrt und über mögliche Perspektiven nachgedacht. So lange, bis ich tatsächlich schon schräg angeschaut wurde, da ich ja mein Stativ in der Hand hielt und das Licht eigentlich okay war.

Dann hatte ich plötzlich die Idee: ich habe einen Ausschnitt der Wasseroberfläche fotografiert. Und dabei die Kamera auf den Kopf gestellt. Mir gefiel das Resultat sehr und ich fuhr zufrieden nach Hause.

3.* Das Motiv: ich habe ein interessantes Motiv am richtigen Ort fotografiert

Hinter diesen Punkt musste ich ein Sternchen setzen, denn macht der Ort ein gutes Bild aus? Nicht unbedingt - man kann auch ein gutes Bild an einem nicht optimalen Ort produzieren. Eigentlich müsste der Punkt sowieso heißen „ich habe ein interessantes Motiv fotografiert oder ein unscheinbares Motiv interessant in Szene gesetzt“, denn nur das zählt am Ende.

Das ein interessantes/seltenes/spektakuläres Motiv tendenziell jedoch zu bevorzugen ist erscheint mir zu trivial als das ich näher darauf eingehen möchte.

Der Ort hingegen ist theoretisch zweitrangig: nehmen wir an, eine Schneeeule verirrt sich an die holländische Nordseeküste (schon passiert) und ich schaffe es am Wochenende diese zu finden und ein super Flugbild einzufangen. Dann spielt es keine Rolle, dass z.B. Finnland oder Russland wesentlich besserer Orte für solche Bilder haben oder nicht.

Mein Fokus bei diesem Artikel liegt jedoch auf der konkreten Hilfestellung der fotografischen Umsetzung. Und obwohl der Ort für die Beurteilung eines Bildes unwichtig ist – für die Umsetzung und das Vorhaben, ein gutes Bild zu erstellen, ist er sehr wichtig. Das möchte ich näher erläutern:

Ich habe nur eine begrenzte Zahl an Fototagen im Jahr und die versuche ich ideal auszunutzen. Zeit ist auch in der Fotografie ein wertvolles Gut. Nicht ideal ist es, wenn ich Zeit damit verschwende, Motive an ungünstigen Orten zu fotografieren.

Ein Beispiel: vor wenigen Jahren stieß ich bei meiner Recherche nach einem Bärlauchwald auf ein kleines Gebiet nahe Düren, wo auf wenigen Hektar im Frühjahr der Bärlauch blüht. Ein schönes Gebiet mit dichtem Bewuchs, das duftet als ginge man über eine Knoblauchzehe und toll anzuschauen ist.

Fotogen ist es jedoch nur eingeschränkt: es ist nicht ganz so groß, man hat in den Perspektiven nicht ganz so viel Auswahl und die Bäume sind noch recht „jung“. Trotzdem bin ich immer wieder gerne dorthin gefahren, um „das beste rauszuholen“. Dabei kamen nette Bilder raus, die aber nicht so gut waren, dass ich sie beispielsweise auf meiner Website zeigen würde.

Das würde ich mittlerweile nicht mehr tun! Ich stelle vor Ort fest, dass bestimmte Faktoren nicht ideal sind? Dann gehe ich konsequent weiter oder, wie in diesem Falle, nicht mehr dorthin. Lieber investiere ich die gewonnene Zeit in die Recherche nach einer sehr guten Alternative.

In Sachen Bärlauch habe ich das zu Beginn dieses Jahres getan. Ich wollte nochmal das Thema angehen, aber diesmal brauchte ich einen größeren Wald mit mehr Perspektivauswahl und älteren Bäumen. Die erste Erkundungstour war sehr aufwendig, doch in der Vulkaneifel wurde ich fündig. Die Ausbeute war schließlich sehr gut, obwohl ich noch nicht einmal ideale Bedingungen hatte, etwa Nebel.

Schau gerne bei Interesse mal bei meiner Serie über den Bärlauchwald vorbei.

In der Tierfotografie ist das Beispiel typisch:

Früher habe ich häufig Tierarten an Stellen fotografiert, an denen sie sich zufällig aufhalten. Mit ein wenig Heranpirschen habe ich dann regelmäßig Bilder umgesetzt, die ich okay fand.

Beispielsweise gab es einige Zeit ein Blaukehlchen, das singend in einem Schilfgürtel im Kölner Umland gesehen wurde. Damals hatte ich mich in die lange Reihe von Objektiven und Spektiven anderer Naturbegeisterter gestellt. Alles in der Hoffnung es ließe sich mal sehen, was es auch tat. Weit entfernt, nur kurz und dann war es auch wieder für lange Zeit weg. Ganze Tage hatte ich dort investiert. Das Bild dazu erspare ich dir…

Auch das würde ich heute nicht mehr tun – nach dem gleichen Prinzip: zu viel Zeit für ein wahrscheinlich mittelmäßiges Ergebnis. Auf Texel z.B. hat man für diese Tierart mehr Auswahl, bessere Perspektiven, besseres Licht (o.g. Schilfgürtel lag in einer Senke) und entsprechend eine wesentlich höhere Frequenz an Sichtungen und Auslösungen.

Wer an dieser Stelle denkt „naja, ich kann oder will aber nicht derart große Distanzen für mein Hobby bewältigen“ den kann ich gut verstehen. Die gute Nachricht ist: dieses Prinzip wende ich nicht nur im Großen an (räumlich betrachtet), sondern auch im Kleinen. Zum Beispiel innerhalb eines Naturschutzgebietes. Etwa wenn es um die richtige Stelle geht, die ich an einem Bach, auf einem Strand oder in einem Wald oder einer Heide suche.

Der Hintergrund der Birke die du gerade fotografierst sieht nicht optimal aus? Dann erkunde die ganze Heide, jeden Weg, jede Abzweigung, drehe jeden Stein herum (bitte nur sprichwörtlich) – meist zeigen sich bessere Alternativen! Dieses Erkunden erledige ich meist bei suboptimalen Wetterbedingungen, so dass ich bei geeignetem Licht bereits die potenziell guten Stellen kenne.

Um schnell festzustellen, ob ich eine gute Stelle gefunden habe, stelle ich mir oftmals eine konkrete Frage wenn ich dort bin: Was ist unter diesen Bedingungen, an dieser Stelle hier, realistisch betrachtet, das beste Bild, das ich produzieren kann?

Ich visualisiere die Antwort vor meinem inneren Auge und weiß dann ziemlich genau, ob ich viele Stunden für ein solches Ergebnis investieren möchte.

So passiert z.B. auf einer Reise in Cornwall, als unsere B&B Vermieterin aufgeregt zu uns kam und davon berichtete, es gebe ein ornithologisches Highlight, „direkt bei uns am Strand“. Mehrere NaturFotografInnen standen versammelt, weil sich ab und zu Basstölpel direkt auf einen circa 100m entfernten Felsen auf dem Meer setzten, was wohl auch dort eher selten vorkommt.

Zum Anschauen war das ein tolles Erlebnis, meine Kamera habe ich jedoch nicht ausgepackt. Der Felsen an sich war nicht der Schönste. Realistisch betrachtet wäre es demnach ein Flugbild aus vielleicht 80m geworden – dazu unruhiges Wasser, keine Spiegelung, grau-blaue Umgebungsfarben. Höchstens ein sogenannter “Wischer“ hätte noch halbwegs gut ausgesehen, aber dazu fehlte eine hohe Flugfrequenz und hätte einem Lottogewinn entsprochen.

Also habe ich alternativ die benachbarten Strände gescoutet. Dabei wurde ich fündig, hier gab es tolle Steinstrukturen, sodass dort abends ein Bild entstand. Hier also mein bestes „Basstölpelbild“ 😉

In den Jahren zuvor wäre ich sicherlich bei dem „ornithologischen Highlight“ geblieben und hätte 1-2 mittelmäßige Bilder umgesetzt, die man auf Helgoland an der Basstölpelkolonie vermutlich in nur 30 Minuten besser umsetzt. Das o.g. Landschaftsbild würde ich hingegen nicht als mittelmäßig bezeichnen und hängt jetzt übrigens im Großformat im B&B.

Nochmal abstrahiert betrachtet: in wenigen Minuten Entfernung zu dem mir empfohlenen und „offensichtlichen“ Spot wartete eine sehr gute Perspektive statt einer durchschnittlichen auf mich - und das ist, wie ihr sicherlich merkt, ein immer wieder kehrendes Prinzip, an Motiven nur unter sehr guten Bedingungen zu „arbeiten“.

Dafür muss man auch nicht immer wie hier gleich das Genre wechseln, das klappt gerade innerhalb der Landschaftsfotografie häufig. Auch der „kreativste“ Fotograf macht also selbst unter Einsatz aller technischen Möglichkeiten kein gutes Bild, wenn für sein spezifisches Motiv die Bedingungen nicht stimmen.

4. Die Dimension: es werden Dinge sichtbar gemacht, die das bloße Auge nicht wahrnimmt

So manche „unsichtbaren Momente“ werden erst durch lange oder extrem kurze Belichtungen sichtbar gemacht. Das fasziniert mich an der Fotografie immer wieder! Nicht jedes gute Foto lebt davon, aber bei vielen guten Fotos kommt dieser Effekt zum Einsatz.

Hier gleich mal ein Beispiel:

Ein Pflanzenbild, Entschuldigung? Hätte man nicht ein besseres Beispiel für dieses Thema wählen können, etwa einen malerischen Wasserfall? Ich finde das Beispiel ist genau richtig, um die breite Anwendung von Langzeitbelichtungseffekten aufzuzeigen. Denn auch eine halbe Sekunde Belichtungszeit kann je nach Motiv sehr lang sein.

Das möchte ich gar nicht weiter vertiefen , denn den Effekt der Langzeitbelichtung habe ich bereits erläutert: Schau bei Interesse gerne den Punkt 4 dieses Artikels an, „Belichtungszeit: die vierte Dimension“ .

Lange Belichtungen machen bestimmte Bildstile erst möglich, aber auch sehr kurze Belichtungen können interessante Details sichtbar machen.

Dieser Moment der Übergabe des „Brautgeschenkes“ etwa geht in Natura so schnell, dass man die ganzen Details die während dieses Wimpernschlages passieren niemals aufnehmen könnte. Mit einem solchen Bild kann man genau das.

5. Das Wetter: Licht und Wetterbedingungen unterstützen die Bildaussage

Tolles Licht ist toll. Klar. Ein letzter Spotlight aus der dramatischen Wolkendecke oder die ersten Sonnenstrahlen, die durch tiefliegenden Nebel sichtbar werden.

Doch darum geht es mir im Folgenden nicht. Es geht vielmehr darum, ob das Licht und Wetter mit dem Motiv harmonieren.

Nehmen wir dieses Beispiel:

Welche Kräfte müssen walten, damit die riesigen, viele Millionen Jahre alten Flyschgesteine Asturiens derart zu Tage treten? Die dramatischen Wolken passen einfach zu dieser Bildaussage.

Nun eine ganz andere Szene:

Muss es nicht wunderbar sein, über die isländische Straße durch die zartrosa beleuchtete Landschaft zu fahren? Ja, das war es!

Und jetzt kombinieren wir diese Bilder mal gedanklich – die dunklen, rauen, und spitzen Flyschgesteine mit einem zartrosa Himmel? In meinen Augen wenig passend. Um das auf den Punkt zu bringen: ich hätte in Asturien bei einem solchen zartrosa Himmel sofort eine andere Stelle aufgesucht, auch wenn die o.g. Perspektive meine klar Favorisierte war.

Ganz konkret hätte ich circa 100m weiter die etwas helleren, glatten und von den Wellen überspülten Steine aufgesucht und sie ohne Polfilter fotografiert. Dann hätte ich circa die unteren Zweidrittel eine pastellige starke Spiegelung auf den Steinen, darüber (mit Weitwinkel) einen ganz schmalen Streifen mit den dunkleren Felsen der gegenüber liegenden Klippe und im oberen Drittel wiederum den rosafarbenen Himmel. Ein wesentlich harmonischeres Bild.

6. Die Verteilung: Die (ge)wichtigen Bildelemente sind harmonisch und passend verteilt

Ein Punkt, den ich z.B. auch in den Naturfotos der sozialen Medien häufig beobachte. Große Flächen der Bilder sind uninteressant, bleiben ungenutzt oder „leere“ Flächen führen zu einer Disharmonie.

Beginnen wir mit einem Beispiel eines Libellenbildes, das ich vor einiger Zeit umgesetzt habe. Auch hier sei genannt, dass es dieses Bild wegen anderer Eigenschaften nicht auf meine Website geschafft hat. Mir geht es jedoch speziell um die Verteilung der Bildelemente.

In der gesamten linken Hälfte des Bildes passiert nicht viel. Nicht falsch verstehen, ich benötige hier nicht unbedingt ein zweites Hauptmotiv in der Schärfe-Ebene, aber wenigstens eine schöne Pflanze in der Unschärfe oder Ähnliches würde dem Bild definitiv gut tun.

Das bedeutet um Himmels Willen nicht, dass ein Bild keine leeren Flächen haben darf. Es gibt viele tolle Aufnahmen, die zu 95% aus einer einfarbigen Fläche bestehen. Dann passt diese extreme Art aber auch zum extremen Motiv, etwa einer ganz minimalistischen Darstellung eines Elefanten, wie man schön beim tollen Gewinnerbild des ENJ 20`/Mammals von Chris Kaula sehen konnte.

 

Beim Libellenbild geht es um Flächen, wo eben nicht viel passiert und die man interessanter gestalten könnte. In meinem zweiten Beispiel ist die Sache etwas anders gelagert. In dieser monochromen Landschaft sind große leere Flächen sogar gewünscht. Aber die Verteilung der Bildelemente ist dennoch nicht harmonisch. Das Bild ist stark links-lastig. Gerade in der Makro-Fotografie sehe ich diesen Effekt auch sehr häufig.

Dieses Bild ist übrigens nicht das Original, sondern eine gestempelte Version. Hier die ursprüngliche Aufnahme.

Im Original ist also die Verteilung weitaus harmonischer.

 

Dieses Beispiel ist sicherlich sehr plakativ, es geht mir aber erstmal darum, das Prinzip dahinter aufzuzeigen.

7. Die Lebendigkeit: Ich habe durch die Wahl besonderer Bildelemente der Szene Leben eingehaucht oder eine Geschichte vermittelt

Dieses Prinzip suche ich nicht aktiv auf, sondern diese Situationen begegnen einem manchmal und dann liegt die Herausforderung darin, sie zu erkennen. Hier 4 Beispiele die diesen Effekt aufweisen:

Es gibt natürlich viele Motive bei denen es gar nicht möglich ist, so etwas in Szene zu setzen. Gleichzeitig auch einer der vielen Gründe, die ich an der breiten Naturfotografie interessant finde, die sich nicht nur auf „Grandscape“-Landschaften beschränkt.

8. Die Innovation: Das Bild zeigt neue und bahnbrechende Perspektiven und Bildideen

Zugegeben, es ist vermutlich etwas übertrieben diesen Punkt aus Provokation gleich durchzustreichen 😉

 

Abschließend wird der/die ein oder andere nun denken „da fehlt doch was“! Einige NaturFotografInnen sind doch ganz besonders kreativ und ihre abstrakten Bildstile werden als besonders innovativ eingestuft.

 

Diese Meinung teile ich nicht – mehr. Dazu muss ich etwas ausholen.

 

Ich bin in Sachen Naturfotografie recht nerdig unterwegs und schaue mir täglich sicherlich eine 3stellige Anzahl von Bildern an und das seit mehr als 13 Jahren. Ich habe auch von allen großen Wettbewerben die Bildbände in einem Regal stehen und schaue mir gerne die tollen Resultate an. Mittlerweile bin ich in einigen dieser Bücher selber vertreten – ich könnte nun besseres Selbstmarketing betreiben und von meinen erfolgreichen „kreativen Momenten“ erzählen, aber ich möchte einen ehrlichen und kritischen Blick darauf werfen.

 

Ich finde die Sache hat sich gewandelt. Bis auf „one in a million shots“ sehe ich kaum noch echte Innovationen. Bis vor einigen Jahren durchaus, aber mittlerweile tendiert das gegen 0. Auch das Wort Kreativität wird meines Erachtens in vielen Fällen zu Unrecht benutzt.

 

Trotzdem gibt es in meinen Augen FotografInnen, die unter gleichen Bedingungen im gleichen Zeitraum immer „bessere“ Ergebnisse als die meisten anderen liefern würden. Deren Ergebnisse faszinieren mich immer wieder, auch heute noch werden genauso viele tolle Bilder produziert wie vor Jahren, wenn nicht gar mehr.

 

Doch als innovativ empfinde ich sie nicht - Tieraufnahmen mit dem Weitwinkel, bizzare Landschaften aus der Drohnenperspektive, Monochromes, durch Äste und Büsche fotografierte Tieraufnahmen mit extremen Schärfeverlauf, massive Gegenlichteinstellungen teils mit Blitzanlagen, dreamy Doppelbelichtungen aller Art, Tier-und Pflanzenwischer, komplette Unschärfe, Halb/halb Unterwasseraufnahmen, Trioplan-Bokehs, massiver Minimalismus in Highkeys etc. – alles nicht verkehrt, aber alles tausend Mal gesehen, das macht für mich ein Bild erstmal nicht besser.

 

Zum Beispiel bei den nachfolgenden etwas abstrakteren (leider auch angeschnittenen) Bildern ist es in meinen Augen eine reine Übungssache, die Motive nach bestimmten Mustern zu erkennen und dann mit bestimmten Techniken umzusetzen. Das fällt manchen sicherlich leichter und anderen sehr schwer, aber beides kann man lernen und ist weniger ein „Akt unerklärlicher kreativer Fügung“.

Aber als was würde ich dann die Bilder von sogenannten „innovativen FotografInnen“ bezeichnen?

Ganz einfach, als besonders gut und clever. Und zwar, um in der Logik dieses Blogeintrages zu bleiben, in den Kriterien 1-7.

 

Dabei gehen mir einige tolle FotografInnen durch den Kopf: sie gestalten die Bilder wahnsinnig clean, sie lassen es einfach aussehen. Sie finden fast immer eine interessante Perspektive. Sie setzen das Licht und die Wetterbedingungen genau passend zum Motiv ein. Sie finden die interessantesten Orte, Tiere und Stellen und hauchen vielen Szenen Leben ein.


Nun kennst du also die Kriterien, die mir wichtig sind bei der Auswahl meiner Bildmotive bzw Perspektiven.

 

Schaffe ich es immer diese umzusetzen? Definitiv nein!

Schaffe ich es immer häufiger und schneller, zu erkennen, welche Motive und Perspektiven dafür ungeeignet sind? Definitiv ja.

 

Und genau das hilft mir sehr, Motive, Perspektiven und Orte zu finden mit denen ich Bilder umsetzen kann, die mir selbst gefallen – und das zählt. Darüber hinaus hat die "selektive Vorgehensweise" starken Einfluss auf die Stimmung während einer Fotosession. Ich hetze nicht mehr von Motiv zu Motiv, sondern beschränke mich auf wenige Stellen und Szenen und lasse mir dort mehr Zeit. Außerdem lasse ich meine Kamera häufiger in der Tasche und genieße einfach die Natur.

 

Wer den Artikel aufmerksam gelesen und noch die Ursprungsfragen im Hinterkopf hat, der merkt allerdings, dass dies nur die „halbe Miete“ ist: mir ist bewusst, dass es mit der bloßen Darstellung dieser Kriterien nicht getan ist.

 

Denn sie anzuwenden setzt voraus, dass ich in der Planung (im Vorfeld) bereits ein gutes Gebiet zu einem günstigen Zeitpunkt ausgewählt und in der Anwendung überhaupt eine grundsätzlich geeignete Stelle erkannt habe. Ist das nicht der Fall, kann ich alle dargestellten Umsetzungstipps anwenden und das Bild stellt mich doch nicht zufrieden. Das passiert auch mir noch regelmäßig, wenn auch immer seltener mit steigender Erfahrung. Doch auch für die Vorbereitung und Anwendung gibt es gute Tricks und Kniffe. Ich werde genau das bald in einem weiteren Artikel ergänzen!

 

Was ich bis dahin immer empfehlen kann, wenn du deine Bildqualität steigern möchtet: hol dir Feedback ein. Am besten von guten und erfahrenen FotografInnen, z.B. über Fachforen und -psst- am besten nicht über soziale Medien wie Instagram! Denn dort gibt es nahezu gar keine verlässliche Korrelation zwischen Qualität der Bilder und Erfolg/Feedback, hier sind noch ganz andere Faktoren Ausschlag gebend. Instagram macht Spaß und hat viele Vorteile – ein differenziertes Feedback erhaltet ihr dort jedoch eher nicht 😉

 

Auch ich muss noch kontinuierlich lernen und das wird auch nie aufhören – ich hoffe, dass diese Auswahl meiner bisherigen Erfahrungen jedoch ein wenig geholfen haben und dir den ein oder anderen wertvollen Einblick in die Gedanken eines Naturfotografen ermöglicht hat.

Ich würde mich freuen, wenn du mir unten ein Kommentar hinterlässt, sollte es dir gefallen haben 🖐

 

 

Mit besten Grüßen,

Thomas

Kommentare: 11
  • #11

    Thomas (Freitag, 22 April 2022 09:55)

    Auch euch, Hans Joachim und Jörg, vielen lieben Dank für euer Feedback und dass ihr euch Zeit für ein Kommentar genommen habt.

    Viele Grüße,
    Thomas

  • #10

    Jörg Hoffmann (Freitag, 08 April 2022 23:16)

    Ein super und sehr hilfreicher Artikel. Ich finde es mega herausfordernd, einfach mal ein Motiv auszulassen, wenn man sich gerade darauf vorbereitet hat. Aber die Schlussfolgerungen sind die richtigen. Ich werde es ebenso wie die anderen Hinweise versuchen zu teilen.

    Viele Grüße
    Jörg Hoffmann

  • #9

    Hans Joachim Heister (Dienstag, 12 Oktober 2021 16:59)

    Vielen Dank für den lehrreichen Artikel. Ich finde besonders deine 'Mal-Analogie' interessant und plastisch. Ich werde versuchen das bei meinen Landschaftsfotos zu berücksichtigen.
    Chapeau für deine wunderbaren Bilder und danke für Teilen.

    Hans Joachim

  • #8

    Thomas (Dienstag, 03 November 2020 21:14)

    Auch dir vielen Dank Markus! Freut mich sehr, dass der Artikel auch einen erfahrenen Naturfotografen wie dich anspricht!
    Beste Grüße, Thomas

  • #7

    Markus Lenzen (Dienstag, 03 November 2020 20:28)

    Hallo Thomas, da hast du dir aber echt Mühe gemacht und sehr detailliert deine Vorgehensweise erklärt! Ich denke deine Bildergebnisse sprechen für sich und diese „Anleitung“ wird viele Fotografen einen Schritt weiter bringen. Beste Grüße Markus

  • #6

    Thomas (Dienstag, 03 November 2020 20:00)

    Vielen lieben Dank Mel, Betty, Andy (Andysnaturblick) und Ina (Katharina)!

    Ich habe mich sehr über eure Rückmeldungen gefreut! Ich habe die Kommentarfunktion zum ersten Mal freigeschaltet und habe gerade festegestellt, dass ich euch scheinbar mit dem normalen Jimdo-Modus (ohne Bezahl-Plugin) nicht gezielt auf eure Kommentare antworten kann �

    Trotzdem nochmal über diesen Weg: Freut mich sehr, dass ihr das ein oder andere für euch mitnehmen konntet.

    Liebe Grüße,
    Thomas

  • #5

    Katharina Vogelsang (Montag, 02 November 2020 22:47)

    Hallo Thomas,
    Danke für Deinen ausführlichen Artikel. Deine Gedanken sind sehr lesenswert und sie geben mir einige Impulse. Du bist sehr ambitioniert, was Deine professionellen Ergebnisse auch zeigen. Kreativ - und bereit für Innovationen und verschiedenen Wege auszuprobieren - letztlich kann kein Bild das erfüllen, denn es sind Kriterien für den Fotografen hinter der Kamera, Bilder sind nur das Ergebnis davon... Das ist mir durch Deine Ausführungen nochmal bewusst geworden. ;-)
    Sei lieb gegrüßt Ina (Katharina Vogelsang)

  • #4

    Andreas (Montag, 02 November 2020 21:07)

    Hallo Thomas,
    erst einmal, herzlichen Glückwunsch zum Erfolg beim GDT! Das freut mich für dich.

    Deinen Artikel habe ich mir jetzt mal in Ruhe durchgelesen.
    Ich fotografiere ja nun auch schon ein paar Jahre und finde auch, dass meine Bilder besser geworden sind.
    Ich mache mir ja auch Gedanken zur Bildgestaltung, Lichtstimmung und Technischen Einstellungen der Kamera,
    aber dein Bericht zeigt mir, dass ich noch weit davon weg bin so inspirierende Bilder wie du zu machen.
    Was aber nicht schlimm ist, so kann ich noch einiges lernen und meine Ergebnisse verbessern.
    Und dieser Bericht hier, ist genau wie deine Bilder, eine große Inspiration!
    Vielen Dank, dass du uns an deiner Vorgehensweise wie ein Bild entstehen kann, teilhaben lässt!

    Liebe Grüße
    Andy

  • #3

    Christina (Montag, 02 November 2020 11:55)

    Ein toller und spannender Blog-Artikel, den ich mir mit Sicherheit noch des Öfteren durchlesen werde :-) Ich freue mich schon, die Tipps in die Praxis umzusetzen...

  • #2

    Betty (Sonntag, 01 November 2020 19:27)

    So ein toller Beitrag! Sehr durchdacht, die Gedanken bauen schön auf, sodass man gut folgen kann. Danke für diesen Einblick!

  • #1

    Mel (Samstag, 31 Oktober 2020 21:27)

    Sehr schöner Blogbeitrag! Regt wirklich zum nach- und vielleicht auch etwas zum umdenken an ��