Heute möchte ich mal wieder einen technischen Erfahrungsbericht mit euch teilen. Es dreht sich um mein Stativ und zwei Tipps, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe.
Im ersten Punkt geht es um das Thema Sicherheit.
Da ich häufig im Wasser stehend -am Fluss, See oder Meer- fotografiere, bedeutet ein eventuelles Herabfallen der Kamera eigentlich immer den Totalschaden. Gerade in den letzten drei Jahren habe ich im Bekanntenkreis nochmal 5 (!) solcher Fälle erlebt, wo die Kamera und/oder Objektiv auch hinüber waren, gerade auf Reisen extrem ärgerlich. Dem einzelnen Fotografen passiert das vielleicht auch nur einmal im Jahrzehnt, mit Highend-Material ist das aber auch in diesem Fall eine teure Angelegenheit.
Soviel zum Problem, die Ursachen sind dabei vielfältig; jedoch liegt es in meinen Augen meist an 2 Dingen:
1. entweder ist das Stativ durch Fremdeinwirkung (Fotograf, Welle etc.) umgekippt oder aber
2. irgendeine Verbindung (greife ich gleich auf) zwischen Stativ und Kamera hat sich gelöst.
Mir sind beide Varianten schon passiert in den letzten 10 Jahren. Besonders schmerzhaft übrigens, wenn es einem beim Test eines nagelneuen Superteles sowie einer neuen Kamera passiert wie mir 2012 🤦♂️
Für die erste Variante (Stativ kippt durch Fremdeinwirkung um) gibt es keine 100% sichere Lösung. Aber eine Empfehlung: nämlich, so banal es klingt, keine allzu kopflastige Kombo zu nehmen. Der Trend geht ja zu leichten Reisestativen, die um 1kg wiegen. Klar, rein technisch betrachtet reicht das auch, man kann saubere Langzeitbelichtungen erstellen. Das ist aber in der Praxis häufig eine anfällige Kombo, vor allem für Naturfotografen, deren Einsatzgebiete kein Asphaltboden aufweisen. Ich nehme ein solches Stativ nur für sehr lange Wanderungen, wenn es gewichtsmäßig einfach nicht anders geht. Ansonsten würde ich bei der Stativwahl darauf achten, dass das Gewicht um die 1,7-2,0kg nicht unterschreitet. Meines wiegt knapp 2,3 kg und der Unterschied zu 1,7 ist wiederum deutlich spürbar hinsichtlich Stabilität. Auch eine vorhandene (ausgefahrene) Mittelsäule verlagert den Schwerpunkt immer ungünstig.
Kommen wir zur zweiten Variante: Die Verbindung löst sich. Doch wo? Zum Beispiel kann das an der Wechselbasis des Statives liegen (nicht alle Stative haben diese), an der Arretierung der Schnellwechseleinheit des Kugelkopfes, an der Schnellwechselplatte der Kamera oder am „Fuß“ des Objektives bei längeren Objektiven, etc.
Warum sich diese Verbindungen „lösen können“ hat unterschiedliche Gründe - von einfacher Schlampigkeit über leichte Unachtsamkeit bis hin zum Materialfehler oder Verschleiß. Gerade bei Objektivfüßen habe ich schon häufig über Materialfehler gelesen, ich selbst hatte dahingehend bisher Glück.
Mir selbst ist es jedoch über die Jahre passiert, dass ich einfach auf die Schnelle etwas fahrlässig die Schnellwechselplatte der Kamera an die Schnellwechseleinheit des Kugelkopfes geflanscht habe – sie saß auf den ersten Blick bombig fest, lag aber tatsächlich nicht richtig in der Fassung, wie ich dann am Ende der Fotosession bemerkte. Meistens geht das auch gut, doch wenn man ein sehr aktiver Fotograf ist und stundenlang mit dem Stativ über der Schulter von Spot zu Spot läuft, und das an über 100 Tagen im Jahr, geht das irgendwann nicht mehr gut.
Für diese zweite Variante, die ziemlich viele Ursachen abdeckt, habe ich mir eine Art „Sicherungsleine“ gebaut. Sie wird direkt an der Kamera befestigt, so dass sich alle genannten Verbindung durchaus lösen dürfen. Ausnahme ist mein 600er Supertele, dort befestige ich es am Objektiv. Alles was ich dazu an der Kamera benötige ist eigentlich nur ein kleiner „Clip“:
Es ist ein Gurtanschluss der Firma OP-Tech (ich werde nicht gesponsored 😉). Diese kann man leicht im Netz erwerben, in allen möglichen Längen. Solche Gurtsysteme gibt es wesentlich kleiner und filigraner; da ich jedoch damit auch das 600er mit Kamera und BG sichere, nehme ich diese extrem robuste Variante.
Das „Gegenstück“ befindet sich am Stativ (siehe nachfolgendes Bild Nr.1, das ihr auch in 2000px Größe öffnen könnt). So lang muss es nicht sein, da ich es jedoch auch für meine größeren Teleobjektive nutze, brauche ich es ein wenig länger für Spielraum beim Schwenken.
Sobald ich also die Kamera auf dem Stativ habe, klicke ich sofort die Leine dran (siehe Bild 2). Dauert 2 Sekunden und lohnt sich. Vor allem für`s Gefühl.
Außerdem gibt es noch nette Nebeneffekte. Etwa beim Objektivwechsel. Beispielsweise kann ich die Kamera mit Objektiv am aufgebauten Stativ baumeln lassen (siehe Bild 3), während ich auf dem Kugelkopf ein 70-200er befestige. Anschließend löse ich das Weitwinkel und flansche die Kamera direkt an das Tele, so habe ich praktisch eine dritte helfende Hand 😉 Gerade in staubigen Bereichen ist so ein schneller Wechsel günstig.
Übrigens, damit die „Leine“ nicht rumschlackert, wenn ich das Stativ länger ohne Kamera trage, habe ich mir noch auf der gegenüber liegenden Seite des Stativs ein Gegenstück befestigt (siehe Bild 4), sodass ich während des Transports die längere Leine dort festklicke (Bild 5).
Ich nutze diese Lösung nun seit einer Portugalreise 2015 und tatsächlich ist es mir seither schon zwei mal passiert, dass irgendwann nur noch die Kamera an der Sicherung am Stativ baumelte – einmal während einer längeren Wanderung und einmal direkt beim Aufsetzen. Ich hab mir also schon ziemlich viele Reparaturkosten und Frust dadurch gespart.
Fazit: ich kann es auf jeden Fall für alle empfehlen, die manchmal ein ungutes Gefühl beim Transport über der Schulter haben, nach dem Motto „hält da wirklich alles“?
Kommen wir zur zweiten Empfehlung, einem Stativ mit Übergröße.
Diesen Punkt habe ich schonmal angedeutet in einem Blogbeitrag aus dem vergangenen Herbst. Jetzt habe ich mehr Erfahrung damit gesammelt und möchte das nochmal schärfen.
Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich mir nach längerem Ringen die Übergrößen- („XLS“-) Variante meines 3er Gitzos gekauft, das Gitzo GT3543XLS, da ich in einigen konkreten Situationen die extreme Höhe gebraucht hätte. Dieses Stativ ist ohne Mittelsäule bereits 202cm hoch. Der Sucher meiner Kamera liegt bei ausgefahrenem Zustand somit in 219cm Höhe und wenn ich die Stativbeine relativ eng aber noch ausreichend stabil zusammen stelle, befindet er sich in 237cm Höhe. Für die gleich folgenden Bilder habe ich meist eine Höhe von 230cm genutzt.
Am Rande eine Anmerkung: eine Mittelsäulen-Option kommt für mich nicht mehr in Frage (das habe ich bei dem Vorgänger-Gitzo 1 Jahr getestet), da ich immer sehr schnell von sehr hoch auf bodennah wechseln können möchte, ohne Mittelsäulen abnehmen und wieder draufschrauben zu müssen, das hatte mich damals zum Wahnsinn getrieben. Gerade bei meinen letzten Fotosessions, meiner aktuellen „Eisige-Welten-Serie“, habe ich diesen Wechsel bei jeder Fotosession mehrfach pro Stunde benötigt und eine zweistellige Anzahl pro Tag. Außerdem ist eine Mittelsäule für den Stand/die Stabilität immer von Nachteil gegenüber der Alternative die gleiche Höhe „nativ“ nutzen zu können.
Die Entscheidung zum Kauf des XLS Variante war aber schwer, da ich mir nicht sicher war, ob ich diese Überlänge nicht vielleicht doch nur in 3% der Fälle brauche und ob sich das höhere Gewicht dann überhaupt lohnt. Der geringe Unterschied im Packmaß ist mir egal, Hauptsache es passt für den Flug in den Koffer und das tut es. Die Frage blieb aber: lohnt es sich?
Nun, darauf habe ich mittlerweile eine ziemlich klare Antwort: es lohnt sich -zumindest als Crossover-Naturfotograf- sehr! Man muss das allerdings lernen es zu nutzen, dazu komme ich gleich nochmal.
Natürlich gibt es Einsatzgebiete, wo ich nahezu keine Verwendung für die Überlänge habe – etwa Seascapes in der Landschaftsfotografie, der Makrofotografie oder in der klassischen Vogelfotografie, wo ich selbst durch den Sucher schauen möchte.
Hingegen empfinde ich es so, dass dies vor allem bei „intimate landscapes“ von Bedeutung ist, etwa im Wald, am Fluss, im Moor, in der Heide, vor allem wenn Bäume ins Spiel kommen, insbesondere wenn sie nicht von oben fotografiert werden können.
In dem einen Jahr musste ich die Verwendung auch erst lernen. Denn in den ersten Monaten habe ich nur selten die Maximalhöhe benutzt und erst nach einigen Malen Benutzung nahm das ab Sommer zu und ab Herbst richtig Fahrt auf. Zwischen September und heute, März, habe ich immer häufiger die Überlänge genutzt.
Was bedeutet das eigentlich? Ganz einfach, die Kamera befindet sich dann wirklich in einer Höhe, die selbst ich mit 1,91m Körpergröße nur noch stehend mit weit ausgestreckten Armen erreiche. Doch den Fokus kann ich ja vorher setzen und dank der klappbaren Displays kann ich den exakten Bildausschnitt auch von unten nach oben blickend platzieren. Auslösung schließlich per Fernauslöser, alles kein Problem mehr.
Über diese Art und Weise habe ich in den letzten 7 Monaten 10-15% meiner Aufnahmen umgesetzt. Diese Quote liegt allerdings je nach Einsatzgebiet deutlich höher. Im Tiefschnee, im Wald und in der Heide lag das bei mindestens 25%. Die Hälfte dieser Bildideen hätte ich überhaupt nicht umsetzen können unterhalb von 2,20m Höhe.
Hierzu möchte ich euch heute ein paar Beispiele aus den letzten Monaten zeigen, wo eben ein halber Meter Unterschied zu meinem vorhergehenden „Normalstativ“ absolut Ausschlag gebend waren.
Fangen wir mit einer ganz typischen Situation an: nur aus sehr großer Höhe konnte ich für dieses Herbstdetail den viel zu hellen Himmel der sofort oberhalb der Bildoberseite beginnt, eliminieren. Direkt über dem Bildrand befand sich praktisch ein weißes unharmonisches „Loch“. Hierzu stand ich zusätzlich noch -etwas wackelig- auf einem Baumstamm und habe das Stativ über Kopf und sehr eng gestellt auf dem Baumstamm bedient. Von unten sieht die Szene nicht halb so harmonisch aus.
Auch die nächste Szene beinhaltet einen Grund, auf den ich etwa häufig in der Heide traf. Zwischen meinem Standpunkt und meinen Motiven befand sich ein ganz unharmonisches Bildelement. In diesem Falle war es ein durchs Streiflicht angeleuchteter grüner unförmiger Busch. Nur aus großer Höhe, weit über Kopf, konnte ich ihn eliminieren. (Den Standort konnte ich aus diversen Gründen nicht ändern)
Diese folgende Aussicht gibt es eigentlich gar nicht, sie ist mit Ästen und Gestrüpp versperrt. Zumindest für Wanderer unter 2,50m Körpergröße 😅, die um diesen italienischen Bergsee wandern. Nur mit dem Teleobjektiv auf einer Bank stehend und darauf über Kopf fotografierend hatte man eine klare Sicht auf diese Perspektive.
An der nachfolgenden Stelle gibt es eine Art Schneise durch die man gehen kann. Rechts und links wachsen die Farne etwa auf Augenhöhe. Nur über Kopf hat mir die Kamera diesen freien Blick ermöglicht und zugleich wieder unschöne helle Himmelsstellen eliminiert.
Das Größenverhältnis der folgenden Szene bekam man nur aus einiger Entfernung zum Baum. Da es jedoch ein ansteigender Hang war, lag die rechte Birke aber zu hoch für diese Bildidee > also ab in die Höhe mit der Kamera….und so funktionierte es schließlich.
Im kommenden Bild hätte ich aus normaler Höhe nur praktisch ein quadratisches Bildformat erreichen können, außerdem hätte die dunkle Wasserstelle gar nicht diese schöne Form gehabt, man hat von unten fast nur die Schneehügel gesehen (ein Querformat kam gar nicht in Frage). Über Kopf war jedoch ein richtiger Bildaufbau möglich.
Diese Äste waren recht hoch gelegen und dabei waren es noch die niedrigsten des Baumes, der an einem Hang lag. Aus normaler Höhe hätte ich nicht die Sonne und den Horizont in den Hintergrund setzen können, da sie unterhalb des Bildrandes stand. So war die Bildwirkung deutlich interessanter.
Da ich Querformate grundsätzlich bevorzuge, hatte ich mich vergebens an einer Bildkomposition versucht. Wirklich harmonisch waren die Bildelemente nur im Hochformat mit Ultraweitwinkel (14mm Vollformat) möglich. Also habe ich mir hier noch kleine Schneehügel gebaut und die Stativbeine auf voller Höhe ganz eng zusammen gestellt. Ich kam selbst nicht mal mehr auf Zehenspitzen an die Kamera, aber noch gerade so an das Kugelgelenk um das Bild auszurichten. Auch diese Perspektive ist aus normaler Höhe nicht möglich, zumal diese Perspektive von oben auch viel besser die tollen Strukturen betonte:
Und last but not least: gerade im Tiefschnee der Hochheide habe ich besonders häufig diese Stativhöhe genutzt. Denn man steht ja schon praktisch unterhalb der Oberfläche. In diesem speziellen Fall war es so, dass ich gar nicht diese Tiefenstaffelung hinbekommen hätte. Aus normaler Höhe, waren die vereisten kleinen Bäume im Vordergrund quasi auf einer Höhe mit der mittig stehenden Tanne – diese Bildwirkung wäre ziemlich langweilig im Gegensatz zu dieser hier, die ich gerade mal auf Zehenspitzen erreicht habe:
Mein Fazit: es ist ähnlich wie in den Anfangszeiten von Smartphones: als ich noch keines hatte war ich mir immer sicher man brauch es nicht - doch wenn man es hat, werden einem erst die Möglichkeiten bewusst und man möchte es nicht mehr hergeben. Alleine in den letzten 7 Monaten hatte ich sicherlich 50 solcher Szenen, bei denen ich froh war dieses nutzen zu können.
Etwas allgemeiner formuliert würde daher auch bei künftigen Stativen darauf achten, dass die Größe eine Aufnahmehöhe mit ausgestreckten Armen über dem Kopf ermöglicht.
Ich hoffe, für den und die ein oder andere war ein hilfreicher Tipp dabei.
Viele Grüße,
Thomas