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Die Sache mit Instagram – Naturfotografie im Wandel

Heute folgt mal ein kritischer Blick auf einige Themen: ich wurde vor wenigen Tagen zum wiederholten Male darauf angesprochen, dass am Ende meines Artikels Was macht ein gutes Naturfoto aus“ sowie in einigen meiner Blogeinträge scheinbar Instagram „nicht gut weg kommt“.

 

Das hat mich beschäftigt und ich möchte einmal differenzierter darauf eingehen. Dieser Artikel ist vermutlich nur für Instagram-Nutzer wirklich gut nachvollziehbar und da es sich im Wesentlichen um spontane Gedankenfetzen zum Thema handelt , kann man bei Bedarf auch getrost wegzappen 😉

 

Es ist ein Blick auf die Nachteile von Instagram (eher sozialen Medien im Allgemeinen) im Kontext der Naturfotografie und kein wirklich faires Abwägen von Vor- und Nachteilen. Ich kann aber vorweg nehmen, dass es meiner Meinung nach auch viele Vorteile gibt und mir die Plattform viele tolle Kontakte und Insights ermöglicht.

 

Ja, einige Entwicklungen in der Naturfotografie, gerade im Kontext der sozialen Medien finde ich absolut schade, ich gehe gleich näher darauf ein. Wenngleich die Algorithmen von Instagram, Facebook oder ähnlichen Plattformen so manche dieser Entwicklungen begünstigen, sehe ich die Ursachen für diese Entwicklungen auf vielen Seiten. Im Folgenden gehe ich auf ein paar dieser Aspekte ein:

 

1. Völlig losgelöst

…von der Erde? Nein, von der Qualität! 😉
Zu Beginn geht es um einen Punkt der mittlerweile immer deutlicher zu Tage tritt: zwischen Erfolg auf Plattformen wie Instagram (in Form von Reichweite und Wachstum) und der Qualität des Contents (z.B. den Bildern eines Fotografen) besteht kaum noch ein verlässlicher Zusammenhang.  Es gibt natürlich Beispiele, wo beides auf höchstem Niveau rangiert, aber diese sind deutlich in der Unterzahl.

 

Gut, wer in seinem Leben schonmal länger in einem Beruf mit vielen Menschen gearbeitet hat, der weiß, dass es schon immer zum „Spiel“ um Erfolg dazu gehörte und weniger mit irgendwelchen Apps zu tun hat: Menschen, die sich ziemlich schmerzfrei gerne selbst vermarkten sind tendenziell erfolgreicher, das ist nichts wirklich Neues. Allerdings kannte ich das bisher nur im „Wettbewerb“ auf ungefähr gleichem Niveau.

In landschafts- oder naturfotografischen Internetforen hatte man lange Zeit zum Beispiel selbst ohne spezielle Selbstvermarktungs-Fähigkeiten noch genauso viel Resonanz erhalten wie andere, wenn die Qualität der Bilder außerordentlich gut war.

 

Doch das hat sich im Zuge der sozialen Medien deutlich verändert. Wenn sich jemand heute neu bei Instagram anmeldet kann er z.B. eine wahnsinnig professionelle Tieraufnahme zeigen und die Chance, dass er genau so viel Resonanz erhält wie ein „Influencer“ mit 6stelligen Followerzahlen gleicht einem 6er im Lotto.

 

Die Qualität des eingestellten Bildes ist ein Vorteil, aber definitiv nicht mehr entscheidend. Ich könnte an dieser Stelle unzählige Beispiele von etablierten und renommierten Fotografen nennen, die erst in den letzten beiden Jahren bei Instagram eingestiegen sind und kaum Resonanz für ihre tollen Werke erhalten, weil sie neben dem Zeigen ihrer Bilder kaum „entertainen“.

 

Ich möchte das noch etwas schärfen: selbst viele Instagramer*innen, die man im Kreise erfahrener Naturfotograf*innen eher als Anfänger oder maximal Fortgeschritten bezeichnen würde, übertreffen viele Profis um Längen in der Reichweite ihrer Accounts und haben teils Schwindel erregende Zahlen an Followern. Mit einfachem Rezept: Content ohne Ende, Gewinnspiele, Quizshows, Suggestivfragen, allerlei Entertainment und sich ganz viel bei der Arbeit filmen.

 

Na und, kann doch jeder machen wir er möchte, man kann ja wegzappen? Das stimmt, aber hier wird’s interessant. Ich mache diesen Fotografen nämlich überhaupt keinen Vorwurf. Da sind viele Natur-Enthusiasten dabei, die einfach nur etwas extrovertierter und ehrgeiziger sind oder viel Spaß an Entertainment haben. Und diesen Spaß haben auch ihre Follower, also erstmal alles gut soweit, ich selbst lasse mich auch regelmäßig von deren Content berieseln. Und ob jemand besser oder schlechter fotografiert ist mir ebenso völlig egal. Wo ist dann die Relevanz?

 

Und das ist der Punkt: die Relevanz dieser Reichweite ist nämlich mittlerweile enorm und steigt meines Erachtens allmählich über eine kritische Grenze.
Plötzlich werden die oben genannten „Influencer“ auch im Bereich der Naturfotografie (z.B. Instagramer oder Youtuber) als Top-Fotografen von den großen Foto-Firmen behandelt, vermarktet und gesponsored. Wie viele Image Kampagnen ich jetzt schon mit Fotografen gesehen habe, die maximal auf der Könnenstufe „Fortgeschrittene“ rangieren, ist beachtlich.

 

Und dann denke ich mir, warum wurde für eben dieses Kampagnenthema nicht einer von hunderten Fotografen genommen, die eine professionelle Bildqualität liefern und bekanntermaßen ein Spitzenportfolio bei diesem Kampagnenthema haben?
Die Frage ist natürlich rhetorisch und die Antwort folgt dem Prinzip der erhofften höheren Wirtschaftlichkeit durch mehr Reichweite der Protagonisten, vor dem Hintergrund spezifischer Marketingstrategien.

 

Gerade bei den fotografischen TOP-Youtubern ist dieser Effekt frappierend und die Diskrepanz zwischen Medienpräsenz und Qualität der Aufnahmen teilweise unfassbar.

Vor allem für Profis hat das mittlerweile Relevanz. Vielleicht nicht für die Stars, nicht für alle. Weniger für jene, die bereits vor 10-20 Jahren gute Netzwerke und Kontakte zu den Big Playern aufgebaut haben. Doch für viele andere schon - zum Bsp. auch für junge talentierte Fotografen – sie stehen plötzlich in Konkurrenz zu eben diesen Influencern, auch wenn sie fotografisch in einer ganz anderen Liga spielen.

 

Und es ist mehr als nur das Sponsorship der Fotoindustrie: es geht auch um die Präsenz in Onlinemagazinen, in Zeitungsberichten, beim Verkauf von Tutorials, Workshops, E-Papern, Auftritten in Fachmessen und vieles mehr. Ich folge bei Instagram aktuell gut 500 Fotografen und ich denke um die 100 davon könnten diese genannten Dienstleistungen auf einem professionellem TOP-Niveau abliefern – aber sie erhalten häufig eben nicht mehr den „Zuschlag“, sondern immer häufiger die genannten „Influencer“.

 

Glücklicherweise muss ich persönlich nicht von der Fotografie leben, doch für die vielen professionellen oder sehr guten Fotografen, die ihr Handwerk von Grund auf gelernt und sich über Jahre ein wirklich gutes Niveau erarbeitet haben, tut mir das wirklich sehr leid und genau das bedauere ich sehr an der Entwicklung.

 

2.Authentizi-was?

Für diesen Artikel habe ich ein -für mich- besonderes Foto aus Island gewählt. „Der Diamant“.

Was das mit diesem Artikel zu tun hat? Lange Zeit hatte ich die Bildidee im Kopf, den Strand zu zeigen, auf dem man weit und breit nur einen scheinenden Eisblock am Strand von Jökulsarlon sieht. Bei meinen vielen Besuchen war ich schon oft nah dran. Mal war die Transparenz/das Leuchten aber nicht hoch genug, mal lag zu viel Unrat auf dem Sand, mal lag ein 2. Eisblock daneben, mal gab es Spuren im Sand etc. Diese Dinge zu retuschieren dauert circa 3 Sekunden mit einer halbwegs ordentlichen Bildbearbeitungssoftware. Und doch habe ich lieber die Variante gewählt, immer wieder dort hin zu gehen, mehr als 30 mal, bis alles stimmt. Doch diese Vorgehensweise scheint oft nicht mehr state of the art.

 

Was ich konkret schade finde, ist die mangelnde Authentizität vieler „Natur-Aufnahmen“ in den sozialen Medien. Und ich rede hierbei nicht von einem Farbregler der mal etwas zu weit nach rechts oder links gelandet ist. Ich rede von Situationen die ich so niemals gegeben hat.

Sinnbildlich für das was ich meine war eine ganz aktuelle Instagram-Anzeige eines Fotografen, die mir erst vor Kurzem über den Weg lief: er bewarb sein Portfolio mit der Überschrift HOMEMADE und den Hashtags wie #nature #deinbayern #pure!


Die Reaktionen auf dieses spektakuläre Sonnenuntergangsbild waren klar - alle Kommentatoren waren sich einig, ich zitiere, „Unfassbar schöne Aufnahme“. 

Das Problem dabei? Es ist nicht seine Aufnahme. Er hat den Eibsee bei normalen sonnigen Bedingungen fotografiert und dann mit einem der (mittlerweile bekannten) Himmel der Software "Luminar" ausgetauscht. Viele weitere Himmelsfarben und Formen kann man dort zwischen circa 20 und 39€ hinzukaufen und mit wenigen Mausklicks tauschen, wie ich heute einmal nachgelesen habe.

 

#HOMEMADE ?: weder zu Hause noch selbst „gemacht“ war dieser Himmel also, sondern von einem anderen Fotografen in einem anderen Jahr an einem anderen Ort fotografiert. Ich möchte gar nicht wissen, wie häufig ich schon Bilder betrachtet habe, wo ich dieses nicht erkannte. Diesen speziellen Himmel habe ich im letzten Jahr sicherlich bereits 30 Mal gesehen, daher fiel es mir auf. Mir juckt es in den Fingern, diesen Artikel hier mit all diesen Beispielen zu versehen und zu verlinken, aber ich möchte aus diversen -vermutlich nachvollziehbaren- Gründen darauf verzichten. Und das ist ein immer wieder kehrendes Prinzip: hier wird eben pure Natur suggeriert, leider weit von der Realität entfernt.

 

Aber auch abseits solch plakativer Beispiele ist die Art der Bildbearbeitung mittlerweile extrem. Gerade bei vielen Landschaftsaufnahmen bekannter Influencer entsteht das gewisse überwiegend am Computer und nicht vor Ort.

Zum Beispiel existiert im Portfolio vieler großer Accounts mit 6stelligen Followerzahlen überhaupt kein Himmel mehr, der heller als die Landschaft ist. Selbst wenn die Sonne noch recht hoch am wolkenfreien Tageshimmel steht (zur Erinnerung, in der Realität ist ein Himmel am Tag manchmal blau 😉), wird die Luminanz des Himmels so weit reduziert, dass z.B. aus Blau eine fast schwarze Färbung wird und daraus eine abgefahrene fast abendliche Spotlight-Stimmung resultiert. Genauso mit Waldaufnahmen, wo Sonnenstrahlen mit Photoshop eingesetzt werden, aber auch in Tieraufnahmen findet man solche Dinge. Alles sehr wirksam, aber eben null authentisch.

Doch auch hier: diese Fotografen haben teils eine hohe Relevanz durch ihre Reichweite, werden als Experten der Fotografie (und nicht der Bildbearbeitung!) zu Foren, Messen und Interviews eingeladen. An dieser Stelle habe ich häufiger den Eindruck es interessiert überhaupt niemanden mehr, überspitzt formuliert, wie ein Bild entsteht.

 

Laien erkennen das meist nicht (schade aber absolut verständlich), und vielen Redakteuren, Messe-Organisatoren, Medienschaffenden etc. scheint dies egal zu sein – die Reichweite des Fotografen zieht Aufmerksamkeit an sich und schafft sie gleichermaßen für den Protagonisten – Win:Win also.

 

DAS ist wirklich schade – scheinbar wissen es immer weniger Menschen zu schätzen, dass Fotografen wie z.B. ein Stefan Forster und  Tobias Ryser lieber Xmal zum gleichen Spot fahren, um tolle Bedingungen zu haben, statt sich diese Stimmungen in Photoshop zu basteln. Wenn es für die Betrachter transparent wäre, wüssten es viele Menschen allerdings meiner Meinung nach mehr zu schätzen.

 

Zumindest bei großen naturfotografischen Wettbewerben existiert noch eine konsequente Raw-Kontrolle oder anders formuliert: ein Abgleich mit der Realität. Aber das ist natürlich nur ein Tropfen auf den sehr heißen Stein und spielt in den sozialen Medien keine Rolle.

 

3. Was das für die Natur bedeutet:

Und das ist eigentlich der wichtigste Aspekt: in diesem letzten Punkt geht es mir darum, wie sich die Situation vor Ort verändert hat. Das dabei viele Natur-Hotspots mittlerweile überlaufen sind, wissen die meisten, daher möchte ich diesen Punkt bewusst an dem Beispiel eines noch recht unbekannten Spots erläutern:

 

Im letzten Jahr war ich in zwei schönen Waldgebieten bei den „Blue Bells“ (Hasenglöckchen) in NRW. Diese blauen Teppiche zu fotografieren hat wirklich Spaß gemacht. Eines dieser Waldgebiete ist aber noch recht unbekannt und obwohl ich es gar nicht besser finde als das andere (weitestgehend bekannte) war es halt „NEU“ 😃 Und damit ging es auch los: nachdem ich eine Story davon bei Instagram gepostet habe, bekam ich binnen 48 Stunden knapp 30 Anfragen (!) wo denn diese Stelle genau sei. Übrigens, einmal, von einem mir absolut fremden Instagramer*innen, mit dem nachdrücklichen Hinweis verbunden mir doch bitte gleich die Koordinaten zu senden statt lediglich einer Wegbeschreibung.

 

Ich möchte anhand dieser Anzahl einfach mal aufzeigen, wie schnell sich normalerweise über die sozialen Medien solche Spots herum sprechen können, so sie denn geteilt werden. Und ich habe gerade einmal gut 20 Tausend Follower. Entsprechend ist der Schaden, den z.B. Reiseblogger mit Millionen Followern anrichten können, enorm, wenn sie sensible Stellen verlinken. Das ist auch ein Grund dafür, warum ich mittlerweile gar keine Spotangaben mehr mache, außer sie stehen in jedem Fremdenführer.

 

Trotzdem rege natürlich auch ich immer wieder mit meinen Bildern dazu an, solche Spots zu suchen, diese „Teilschuld“ möchte ich gar nicht von der Hand weisen.

 

Genutzt hat es übrigens nicht viel dies nicht zu teilen: sowohl im ersten wie auch im zweiten Gebiet sahen die Hasenglöckchenfelder, eigentlich zarte und wunderschöne Orchideen, nach circa zwei Wochen aus als wäre jemand großflächig mit einer Industriewalze im Wald Gassi gegangen.

 

Hier spielt auch eine Rolle, dass eben bei extrem fotogenen Naturerscheinungen (etwa die Heideblüte, den Hasenglöckchen oder in Bärlauchwäldern etc) nicht nur Naturfotograf*innen kommen und einige von ihnen Grenzen überschreiten – insbesondere sind es die Lifestyle-, Mode- und Beauty „Instagramer*Innen“, die sich (mehrmals beobachtet) mitten in die Blumenwiese stellen, um das perfekte Bild zu erhaschen.

 

Mein Fazit: ich finde eine präzise Ursachenanalyse in dem Zusammenhang unheimlich schwierig, und eine echte Lösungsfindung ist ohnehin naive Utopie.

 

Ich lese häufig, dass in Verbindung dieser Themen Instagram die Schuld zugewiesen bekommt. Das halte ich für falsch. Meines Erachtens findet das wie bereits angedeutet an mehreren Stellen statt:

 

·        Das Mindset der „Creator“: gerade bei Punkt 2 und 3 spielt die Eitelkeit vieler Menschen und der Drang nach Selbstbestätigung sowie Erfolg eine große Rolle und dafür wird vieles billigend in Kauf genommen.

 

·        Die Intransparenz für die Bildbetrachter: wie soll ein Laie die angesprochenen Unterschiede erkennen und dies in seinem Konsumverhalten berücksichtigen?

 

·        Die Interessen der Wirtschaft: egal ob bei Verlagen, Redakteuren, in der Fotoindustrie, bei Messen usw.: immer häufiger scheint bei der Auswahl entscheidend, „warum den teuren Profi nehmen wenn der Amateur sogar noch mehr Reichweite mitbringt?“

 

·        Der Algorithmus der sozialen Medien: doch ist dies die Henne oder das Ei?

 

·        Etc.pp

 

Das sind also ein paar Dinge, die mich aktuell stören und eine wirklich positive Aussicht kann ich diesbzgl. nicht geben. Ich habe allerdings in diesem Artikel auch sehr streng auf die Nachteile geschaut. Ganz so emotional sehe ich das gar nicht, ich kann das mittlerweile an den meisten Tagen gekonnt ignorieren 😅

 

Was daraus folgt? Ganz einfach, wem es nicht gefällt, der muss und kann sich diesen Aspekten durch Abmelden bei den betreffenden Plattformen entziehen, es ist ja nicht der Angelpunkt der Welt. Jedoch lösen sich dadurch natürlich auch nicht alle der o.g. Probleme.

Ich persönlich werde das bei allen Nachteilen nicht tun, denn z.B. Instagram bietet natürlich auch viele Vorteile: ich kann mich unkompliziert mit Gleichgesinnten austauschen, solche kennen lernen und deren Naturerlebnisse über die Stories nachverfolgen, und das kann auch verdammt viel Spaß machen.

 

Für heute waren das genug Gedankenfetzen.

 

Ich wünsche euch nun einen schönen Tag! 

Mit besten Grüßen,

Thomas

 

P.S.: ach, und besucht mich doch mal bei Instagram 🤣😜