Erst einmal vielen Dank für euer Interesse und Feedback zu den beiden aktuellen Blogeinträgen aus Island 🙏
Direkt nachdem wir die Teilnehmenden unserer Fotoreise in Island wohlbehalten zum Flughafen gebracht hatten, wartete noch ein besonderes Abenteuer auf mich.
Wie in meinem Februar-Blogeintrag über die Wintervögel berichtet, entschied ich mich zu Beginn des Jahres, künftig ab und zu eine Reise zu absolvieren, bei der es eigentlich mehr
Vernunftargumente dagegen als dafür gibt 😅 Und ich wollte erst nach Umsetzung der jeweiligen Reise davon berichten; das tue ich hiermit!
Bei meinem ersten kleinen „Projekt“ hatte ich vor Augen, einmal die Arktis zu besuchen. Nun gibt es für die Arktis unterschiedliche Definitionen. Nördlich des Polarkreises war ich schon mehrfach, und somit im nördlichsten Norwegen theoretisch auch in der Arktis - aber selbst deren Einwohner würden sich jetzt kaum als Bewohner der Arktis bezeichnen 😂 Bei meinem Vorhaben meinte ich natürlich jene Landschaften, wo man vom Nordpolarmeer, Permafrost und Eisbären umgeben ist 😉, die sog. "Hocharktis". Hier wollte ich einmal Landschaften sowie Tiere fotografieren.
Nun habe ich dieses Vorhaben schon mal verschieben müssen und aufgrund unserer bereits geplanten Reisen drohte es auch in diesem Jahr zu scheitern. Schließlich gab es aber ein kleines Zeitfenster und ich setzte fotografisch gesehen alles auf eine Karte. Ich hatte nur eine knappe Woche Zeit und entschied mich dazu, diese Möglichkeit nicht wieder aufs kommende Jahr zu verschieben. Wohlwissend, dass die Nettozeit fürs Fotografische gerade 3-4 Tage beträgt und ich bei einer Sturm- oder Schlechtwetterphase ohne Bild nach Hause komme. Doch da ich ohnehin nicht wusste, wie mein Körper auf die extreme Kälte reagiert und ob man an die interessanten Motive wirklich heran kommt, war mir das beim ersten Mal auch lieber so.
Ich muss feststellen, dass ich bei dieser Reise meine persönliche Komfortzone seeehr weit verlassen musste; etwa in Sachen Flug, Planbarkeit, Planungssicherheit, Kälte, physische Belastung, Gefahrenlage etc. Doch am Ende war der „Drive“ stärker.
Also ging es los. Mit einem Flug nach Oslo und schließlich nach Spitzbergen (eigentlich „Svalbard“, übersetzt „Kühle Küste“). Meine Unterkunft lag in Longyearbyen. Hierzu möchte ich einfach mal anmerken, dass die Landschaft im Landeanflug bei blauem Himmel das Beeindruckendste war, was ich je von oben gesehen habe. Hier was aus meinem Smartphone…
Einige Wochen lang hatte ich bereits das Wetter verfolgt, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was hier kalt und warm bedeutet und wie häufig es stürmt.
Wind ist überhaupt ein entscheidender Faktor für den fotografischen Erfolg. Denn der Schnee ist recht trocken und je nach Spot sieht man schon bei mittelstarkem Wind kaum noch die Hand vor Augen; das liegt nicht am Schneefall von oben (der wäre fotogen), sondern an den seitlichen Schneeverwehungen - ich hatte dies nur einmal für eine Stunde und das reichte mir schon, da man die Motive selbst aus 30m Entfernung nicht mehr sah. Je nach Ort können da schon 5-6 Windstärken den Garaus machen.
Aufgrund des Mikroklimas ist die Vorhersage ohnehin nur bedingt verlässlich, wie ich mittlerweile weiß. Erwarten konnte ich mit hoher Wahrscheinlichkeit circa -6° bis -22° Grad im März und hatte natürlich auf die Mitte gehofft. Jedoch kam es anders: leider war gleich für den ersten „Einsatztag“ die Vorhersage sehr ernüchternd, hier ein Handy-Screenshot eine halbe Stunde vor Start der ersten Tour:
Zum Start, um exakt 7.00 Uhr, waren es schließlich -28° Celsius. Schon die Vorhersage jagte mir ziemlich viel Respekt ein, um nicht zu sagen: mir ging der Hintern am Vortag der ersten langen Tour
regelrecht auf Grundeis 😉 Denn ich wusste, dass gleich der erste Tag sehr lang werden könnte. Da ich auch alleine dort hin flog, entwickelte sich tatsächlich eine ordentliche Nervosität am
nächsten Morgen, was mir so bei der Fotografie noch nicht passiert ist.
Das löste sich allerdings nach Abfahrt mit meinem Guide schnell auf, beim Anblick dieser tollen Landschaften. Übrigens, da ich dort auch (mehrere) Guides für einen Reiseveranstalter scoutete, bin
ich gebeten worden, diese Informationen nicht auf meiner persönlichen Page zu nennen, was ich normalerweise tun würde, denn sie machten einen tollen Job!
Einen Guide benötigt man auf Spitzbergen, sobald man die „gesicherte Zone“ der kleinen Siedlung von Longyearbyen verlässt. Denn außerhalb der Zone besteht die akute Gefahr auf Eisbären zu treffen. Entweder man besitzt also eine geeignete Waffe zur Verteidigung (für den unwahrscheinlichen äußersten Fall) mit entsprechender Lizenz oder aber ein Guide begleitet einen auf Schritt und Tritt. Bei mir war es Letzteres.
Auf Eisbären hatte ich es ohnehin gar nicht abgesehen, sondern auf praktisch alle anderen weißen Motive 😉 Zum Beispiel den arktischen Polarfuchs, das Svalbard-Rentier, das Schneehuhn, die schneebdeckte Landzunge von Hiorthhamn, sowie die weißen Gipfel des Bünslow Landes und des Tempelfjorden.
Um es vorweg zu nehmen: ich hatte abgesehen von der Temperatur an diesen Tagen sehr viel Glück mit dem Wetter hinsichtlich Niederschlag und Wind. So konnte ich gleich am ersten Tag viel sehen und war schließlich 11,5 Stunden draußen, ohne Mittagessen oder einer längeren Pause. Das war auch deshalb wichtig, damit ich innerhalb kürzester Zeit diverse Spots checken konnte und schonmal einzuschätzen wusste, wo sich was lohnt und was weniger.
Ich war regelrecht berauscht von den vielen tollen Dingen, die ich hier in der Natur sah. Dabei hatte ich glatt vergessen, dass mein Körper langsam mit Frost übersät war 😅 Hier mal ein Selfie, nachdem ich bereits lange unterwegs war:
So, jetzt genug der Vorinfos 😎 Mehr Infos gibt es diesmal unter den 27 ausgewählten Bildern. Ich denke, hier mal eine andere Welt aufzeigen zu können und wünsche euch viel Spaß damit 🖐 Let`s go:
Was man im Hintergrund bereits morgens gut sah: überall dort, wo bei diesen extremen Minusgraden die Sonne auf das Meer traf, entstand sofort ein heftiger Nebel über dem Wasser.
Übrigens ist dabei der Verlauf des Sonnenstandes interessant – dieses Bild entstand ca. vier Stunden nach Sonnenaufgang, und die Tageslänge betrug bereits ca. 11 Stunden. Und dennoch steht die Sonne dort so tief. Wirklich beachtlich!
Nach zwei Tagen und viele Versuchen hatte ich dann endlich eine Perspektive eines Rentieres wie ich sie mir vorstellte, ganz in weiß! Zuvor passt es nie perfekt mit den Hintergründen, da sie sich meist zu nah an einer Steilwand aufhielten. Und tollerweise noch mit dem schönsten Tier der Herde, die meisten hatten nur ein sehr rudimentäres Geweih zu dieser Jahreszeit:
Da Eisbären gut und gerne auch mal über den Fjord schwimmen, riet mein Guide, bei der Küstenfotografie auch an dieser Stelle -die einzige innerhalb der Safe-Zone- immer die Augen offen zu halten und die Lage zu checken 😵 Ja ne klar, das klappt bestimmt gut während des Fotografierens 😅
Spät abends teilte mir mein Guide noch mit, dass an einem Berghang angeblich ein Rentier abgerutscht sei und leider verstarb. Am nächsten Tag suchten wir erst einmal das Gebirge nach Rentier und Fuchs ab, was nicht gerade einfach war in dieser monochromen Landschaft....
Plötzlich sahen wir das Rentier und versuchten, dort hin zu gelangen. Es ging immer steiler bergauf und irgendwann sagte ich meinem Guide, dass ich mich nicht mehr wohl fühle, da ich Angst hatte, durch den unter der Eisschicht liegenden Schnee abzurutschen. Aufgrund der sehr hohen Kälte war der Hang an diesem Tag besonders stark vereist wie mein Guide mitteilte. Dort wäre man jetzt nicht umgekommen 😅, allerdings hätte man ziemlich Geschwindigkeit aufgenommen und sich vermutlich an herausragenden Steinen verletzt und nebenbei wäre an dieser speziellen Stelle mein 600er Schrott gewesen.
Er half mir dann bei der letzten Passage von vielleicht 30m zu der einzig fotografisch geeigneten Stelle, auf gleicher Höhe des Rentieres, und sicherte mich. Auch das war ziemlich weit außerhalb meiner Komfortzone, da ich es nicht wirklich mit der Höhe habe.
Schließlich saßen wir längere Zeit an und das Licht wurde zum Abend hin immer besser. Als die Kälte zu groß wurde und wir gerade aufgeben wollten (und mit "wir" meine ich mich), tauchte er plötzlich aus dem weißen Nichts auf und ging zunächst einen flacheren Berghang auf und ab.
Wir warteten weiter bei dem Rentier und hofften, dass er einmal näher kommt. Nachdem er zunächst wieder vollständig verschwunden war, tat er das, mittlerweile bei buntem Abendhimmel. Was für eine Atmosphäre!
Leider stand er dann immer wieder dahinter, riss kleinere Stücke heraus und versteckte sie an Steinen hinter dem Hügel. Das machen sie, um sich Depots für den Winter anzulegen. Für mich kaum sichtbar, weshalb ich keine Ganzkörperaufnahmen aus nächster Nähe umsetzen konnte. Doch für einen Moment kam er in unsere Richtung und stand schräg davor – nur für ein paar Sekunden.
Ich hatte immer ein Portrait dieses Tieres im Hinterkopf, wegen seiner tollen Augen und seines im Winter wunderschönen buschigen Fells. Normalerweise sieht man solche Aufnahmen eher aus dem Sommer, wenn sie den Kopf im Laufen über den Boden "hängen lassen". Hier jedoch hatte er für einen kurzen Moment eine ziemlich anmutige Haltung. Also, wenn schon zu nah dran, so schwenkte ich schnell den Konverter auf 840mm hinzu und es entstand an diesem grenzwertigen Hang ein ganz besonderes Bild wie ich finde:
Ihr könnt euch nun vorstellen, dass dieser Mix an Motiven und Lichtstimmungen bei der kurzen Zeit für mich als Naturfotograf extrem beeindruckend war und ich mehr als happy bin, dieses Wagnis eingegangen zu sein. Insgesamt soll der gesamte Winter (Januar/Februar) rund um Longyearbyen sehr dunkel und stürmisch gewesen sein, es waren wohl die ersten schönen Tage in diesem Jahr.
Die Rückreise war nochmal sehr ermüdend und übrigens, der Temperaturunterschied beim Abreisetag zwischen Longyearbyen morgens und Ennepetal abends betrug exakt 40°C, was ich so auch noch nie hatte.
Ich kam hier an und die 13°C kamen mir vor wie an einem frischen Junitag auf Mallorca 😅 Was soll ich abschließend sagen – es war eine tolle und im wahrsten Sinne des Wortes abenteuerliche Erfahrung.
Auch wenn es angesichts der kurze Zeit anders wirken mag: der Aufwand der Vorbereitung für diese Reise war sehr sehr hoch. Es ist einfach ein Unterschied, ob man nach Spitzbergen als Tourist
kommt und „normale“ Fotoausflüge bucht oder ob man als Fotograf:in den Anspruch hat, von morgens bis abends (selbstbestimmt) unterwegs sein zu können und das beste Licht mitzunehmen, dahingehend
gab es keinerlei „Pauschalangebote“. Letztere testete ich einmal für 4 Stunden und ging prompt fotografisch leer aus...
Für die Umsetzung dieser Reise hatte ich Unterstützung – daher möchte ich mich noch bei drei Menschen bedanken:
- Kathrin Brockmann von "Brockmann Phototravel", für die ich auch vor Ort „scouten“ durfte, und die mich bei diesem Projekt kostenmäßig unterstützt hat, Dankeschön 👋
- Klaus Rudolf von Nikon Service Point München, der mir für dieses Projekt eine zweite Nikon Z9 zur Verfügung gestellt hat. Lieben Dank 😀
- Florian Smit, der mich mit seiner Expertise hinsichtlich der Fotografie bei sehr hohen Minusgraden im Vorfeld beraten hat und keine Fragen offen ließ, Danke Flo 😉
Und schließlich vielen Dank für DEIN Interesse an diesem Bericht 🙏
Nach diesem irren ersten Quartal 2023 mit Foto-Abenteuern in Portugal, Island und Norwegen freue ich mich nun auf unser nächstes Abenteuer in Spanien, dort geht es nächsten Freitag hin. Am nächsten Blogeintrag muss ich also jetzt erstmal arbeiten und verabschiede mich für einen Monat 😎
Bis dahin 🖐 Beste Grüße,
Thomas