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Ein paar Gedanken und „Learnings“ aus 16 Jahren Natur- und Landschaftsfotografie

Mitte Dezember ist mir mal aufgefallen, dass ich genau vor 16 Jahren mein erstes Naturbild im Naturfotografen-Forum eingestellt hatte. Irgendwie geriet ich danach ein wenig ins Reflektieren und möchte heute einmal die ein oder andere Erkenntnis seit dieser Zeit teilen – vermutlich vor allem für Einsteiger in die Naturfotografie interessant.

 

Wer Lust darauf hat, liest also jetzt weiter 😉

Wie auch in meiner Bio erläutert, hat die Naturfotografie bei mir damals damit angefangen, dass ich für den Surfsport ohnehin eine gute Kamera gekauft hatte und plötzlich wieder mein ornithologisches Interesse geweckt wurde, das seit meiner Kindheit bestand. Jahrelang bin ich also erstmal Tieren hinterher gestiefelt, bevor ich dann auch andere Details der Natur und die Landschaftsfotografie für mich entdeckte.

 

Hier mal ein paar -eher zufällig ausgewählte- „Learnings“ zu diesen letzten Jahren der Naturfotografie: 

3 Entscheidungen, die im Rückblick gut waren (und besser liefen als „befürchtet“)

1. In seine Traumausrüstung investieren 

Irgendwann nach dem Einstieg in die Naturfotografie, oder auch mal später, stellt sich -gerade in der Wildlifefotografie- für viele eine klassische Frage: soll, kann, darf ich Tausende von Euros ausgeben, nur um am Ende zum Beispiel „ein paar Vögelchen zu fotografieren?“

 

Als ich 2009 feststellte, dass mein damaliges Canon 100-400 oft zu kurz war, musste ich zum Beispiel auf ein 500/4 umsteigen, das damals einen „Straßenpreis“ von 6k hatte. Das war eine wirkliche Hürde und das Geld musste ich regelrecht zusammen kratzen - ist ja schließlich nur das Objektiv, ohne Kamera, Stativ, Kopf etc. Wenn man nicht gerade sein Geld damit verdient, ist es aus meiner Sicht durchaus eine Art Luxusgut und ein sehr privilegiertes Hobby.

 

Nun habe ich damals nach und nach eines verstanden, über das ich rückblickend nur noch schmunzeln kann: es scheint irgendwie sagen wir „gesellschaftsfähige“ und weniger gesellschaftsfähige Luxusgüter zu geben. Hier werden (manchmal auch von Fotografen) ähnliche Dinge sehr unterschiedlich bewertet.

 

Mein damaliger Freundes- und Familienkreis hatte nichts mit Foto/Technik zu tun und bei einer Investition in dieser Größenordnung wurde ich überwiegend als „jetzt ist er endgültig bekloppt geworden“ abgestempelt. Dabei war das interessant: denn das waren ja die gleichen Personen, die einst ein großes Haus kauften, ein teures Auto besaßen oder an drei Wochenenden im Jahr ein schönes Motorrad mit Saisonkennzeichen fuhren, um nur ein paar Beispiele zu nennen... Bei diesen Dingen wird aber üblicherweise eher applaudiert als sie mit der Anmerkung zu versehen „ist das denn wirklich nötig?“

 

Wenn am Ende nur noch „Vernunftgründe“ dagegen sprechen, kann ich folgendes dagegen halten: ich habe solche Investitionen im Nachgang nie bereut, auch nicht vor 2 Jahren, mit dem Kauf eines Z 600 TC-S. Denn ich betreibe diese Dinge nicht nur mit „Saisonkennzeichen“, sondern nutze sie viele Tage im Jahr mit viel Begeisterung und weiß jede Stunde damit zu schätzen. Nebenbei auch, weil ich dafür auf andere Dinge verzichten muss und es einfach meiner Leidenschaft entspricht. 

2. Das „Wetter-Risiko“ bei Reisen zu nordischen Spots eingehen

Wenn man sich eingehender mit Natur- und Landschaftsfotografie beschäftigt, gelangt man schnell zu der Erkenntnis, dass nicht nur Südeuropa lohnenswerte Urlaubsziele hat. Gerade die eher kalten Regionen wie -Norwegen und Island besitzen wunderschöne Landschaften, aber auch Gebiete wie Schottland, England, Dänemark und viele Weitere.

 

Vor dem ersten Mal waren Christina und ich wirklich skeptisch, ob wir damals so viele Urlaubstage in eine Region investieren wollten, wo man mit etwas Pech ziemlich im Regen steht. Uns zog es -wie viele Deutsche- bis dato immer eher in den Süden, vor allem in den Mittelmeerraum.

 

Mittlerweile haben wir schätzungsweise 30 solcher Reisen nach Mittel- oder Nordeuropa unternommen und ich kann sagen, dass nicht EINE dabei war, die wir im Nachhinein -wettertechnisch- bereut haben. Dabei hatten wir ausgerechnet auf unserer allerersten Islandreise das schlechteste Wetter. Doch selbst noch am Ende dieser Reise stand für uns fest, dass wir das wiederholen möchten.

 

Heute würde ich jedem Interessierten uneingeschränkt empfehlen, das „Wagnis“ einzugehen – die vielen besonderen Momente an diesen Orten entlohnen das… so wie hier, als sich bereits eine ganze Stunde vor Sonnenaufgang der Himmel färbte….

3. Konsequent früh aufstehen 

Tja, wie sieht da eine Erkenntnis aus? Sicher nicht, dass frühes Aufstehen Spaß macht. Und doch tue ich es jetzt seit Jahren auf Reisen und an Wochenende. Weil es sich einfach total lohnt, das ist mein Fazit.

 

Mal abgesehen davon, dass viele Spots einfach viel leerer sind, ist die ganze Atmosphäre meist eine ganz andere als abends. Auch manche Wetterphänomene treten dann viel häufiger auf - etwa Nebel, Tauwiesen, Frost, Raureif etc…

 

Ich persönlich könnte aber auch nicht auf das Ausschlafen verzichten und hole das häufiger einfach mittags nach. Das klappt gut und nebenbei steigert man deutlich die Wahrscheinlichkeit auf tolle Lichtstimmungen, wenn man den Morgen nicht verpasst…

3 Dinge, die ich gerne früher gewusst oder angewendet hätte

1. Weniger Recherchieren mehr Ausprobieren

In den ersten Jahren habe ich sehr viel über Internetrecherche gelernt, gerade in Sachen Technik bei den -auch heute noch- „großen Namen“, zum Beispiel über Tech-Blogs und Youtube. Bei diesen Reviews besteht häufig eine massive Diskrepanz zwischen der theoretischen Bewertung und der Relevanz in deiner Praxis. Ich bin ja letztes Jahr am Beispiel von Kameras in diesem Artikel sehr ausführlich darauf eingegangen.

 

Wenn jemand heute vor einer kostspieligen technischen Entscheidung steht -etwa der Frage ob man lieber mit Sony, Canon oder Nikon arbeiten möchte- würde ich jedem raten, bei örtlichen Händlern die Wunschkombos in die Hand zu nehmen, seine eigene Speicherkarte mitzunehmen und zu testen statt sich den 100sten Bericht und das 50ste Youtube-Video anzuschauen.

 

Denn in diesem Bereich wird unheimlich viel erzählt und selbst sogenannte Experten würden einen „Blindtest“ meist nicht bestehen. Lasst dabei auch die Haptik und für euch intuitivste Bedienung entscheiden, scharfe Fotos produzieren mittlerweile die meisten 😉

2. Bracketing in der Landschaftsfotografie einsetzen

Wenn man mehrere Genre der Naturfotografie abdecken möchte, hat das zur Folge, dass man (noch) nicht überall die Feinheiten beurteilen kann. In der Landschaftsfotografie habe ich zu lange am Gedanken festgehalten, dass  bei der mittlerweilen soliden Dynamik der Kamera-Sensoren auch eine Einzelaufnahme ausreicht. Dabei habe ich im Wesentlichen darauf geachtet, ob zum Beispiel nach Reduktion der „Lichter“ in einem Bild ausgebrannte Stellen im Histogramm angezeigt wurden.

 

Heute sehe ich das so: ja, bei vielen Landschaftsaufnahmen mit perfektem Licht reicht tatsächlich eine Einzelaufnahme. JEDOCH existiert bei manchen Lichtbedingungen ein großer Unterschied, ob ich eine Einzelaufnahme bearbeite (deren Histogramm ich „stauche“, damit es passt) oder ob ich ein sauberes HDR erstellt habe, bei dem der Himmel nicht stark bearbeitet ist, sondern einfach in der zweiten Einzelaufnahme perfekt belichtet wurde.

 

Rückblickend ärgere ich mich über ein paar Szenen, gerade zwischen 2014 und 2019, wo ich einfach alles per Einzelaufnahme geregelt habe. Dabei ist es kein wirklicher Zusatzaufwand; man kann ja das Bracketing so einstellen, dass auf Knopfdruck einfach die Belichtungsreihe erstellt wird.

 

Übrigens fotografiere ich meist auch andere Naturdetail-Szenen (Pflanzen & Farbenformen) mit Bracketing, da mir nach meiner Erfahrung immer wieder mal zu einem späteren Zeitpunkt eine hellere oder dunklere Belichtung besser gefällt. In diesem Bereich dann nur je 3 Aufnahmen. Hier geht es eher um die beste Einzelaufnahme und gar nicht darum, einen hohen Dynamikumfang in den Griff zu bekommen.

3. Flexibilität und Freiheiten sind beeinflussbar 😉

Über die Jahre merke ich immer mehr, dass es wichtig ist, in der Naturfotografie die Feste zeitlich so zu feiern, wie sie fallen. Seitdem ich (erst wenige Jahre) sehr ausgewählt – nur nach kurzfristiger Satellitensimulation- meine Fotosessions plane und durchführe, investiere ich deutlich weniger Zeit für gleiche Ergebnisse.

 

Ich berichte ja auch immer Ende jeden Jahres „statistisch“ darüber, in jedem Jahresrückblick. Wenn ich zum Beispiel im Hochsommer an einem Morgen mit 99% Nebelwahrscheinlichkeit und entsprechender Feuchtigkeit nur 2 Stunden in der Heide fotografieren gehe, ist das in der Regel genau so ertragreich, als wenn ich „random“ und nach Verfügbarkeit gemäß Kalender an 4 halben Tagen dort hinfahre.

 

Dazu eine persönliche Anmerkung: zu diesem Thema höre ich regelmäßig den Hinweis „ja gut - mein Job/Privatleben/you/name/it würden sowas nicht zu lassen“.  Mmh, wie sage ich es…ich glaube, wir haben manchmal mehr in der Hand als wir vermuten. Ich habe in diesem Kontext sehr unterschiedliche Menschen und auch FotografInnen kennengelernt – solche, die stark über den Tellerrand schauen und Rahmenbedingungen konsequent hinterfragen und solche, die einen "normativen Rahmen“ sehr stark als gesetzt ansehen. Häufig haben sich bei diesen Personen regelrechte Glaubenssätze darüber entwickelt, was im Leben möglich ist, und was nicht.

 

Das spüren Christina und ich übrigens auch an vielen Stellen im Kontext unseres Sohnes. Etwa als wir von den Reiseplänen mit unserem damals 8 Wochen alten Ben im September berichteten, um mal ein Beispiel zu nennen 😉. Wir haben sicherlich eine dreistellige Anzahl von Gründen/Warnungen genannt bekommen, warum das „nicht funktioniert“, „schon mutig ist“ und wieso das Vorhaben „schwierig“ sei. Wir haben uns jedoch -wie immer- sehr stark mit Lösungen beschäftigt und mit echten Experten gesprochen, statt vordergründige Probleme zu sammeln. Und, oh Wunder, es gab Lösungen, wiedermal...

 

Deshalb möchte ich mir an dieser Stelle abschließend folgende Bemerkung erlauben: ich habe sehr sehr viel Aufwand betrieben, um diese Flexibilität beruflich und privat zu organisieren, auch wenn das nach außen gerne fluffig und zufällig wirkt. Außerdem verzichte ich auf sehr viele Komfortzonen in meinem Leben und nehme auch jeden Monat finanzielle Einschränkungen in Kauf, da ich mittlerweile für diese Flexibilität zum Beispiel auch den Arbeitsumfang meines Hauptjobs reduziert habe – auch mit allen konkreten Nachteilen, die das mit sich bringt.

 

Das verschafft mir jedoch sehr viel, vor allem Energie und Freiheiten. Ich gebe das nur mal als Denkanstoß mit, falls jemand wieder mal den Gedanken hat, mensch der Thomas, der hat aber auch immer viel Zeit, der Glückspilz 😉

3 Fähigkeiten, die ich nach wie vor nicht besitze

Jetzt verrate ich mal ein paar Achillesfersen 😉

1. Handling mit der Dunkelheit

Mich damit wirklich zu arrangieren, das kann ich nach wie vor nicht – ich finde die ständige Konfrontation mit Dunkelheit, nicht nur bei der Nachtfotografie, einfach nervig. Ging mir letzten Monat in Portugal schon wieder so. Morgens vor der Session und meist auch abends nach Sonnenuntergang die kompletten Fahrtwege und Wanderwege im Dunklen zu absolvieren – zumindest wenn man vom besten Licht profitieren will, brauche ich gar nicht. Außerdem kommt man auch immer wieder in blöde Situationen, etwa mit freilaufenden Hunden, die keine großen Menschen mit Stativ mögen.

 

Das ist sicherlich auch ein Grund, warum ich die Fotografie im Sommer Islands liebe, da man zwar bestes Licht hat, es jedoch nie ganz dunkel wird. Auch wenn ich es fotografisch natürlich immer wieder faszinierend finde im Halbdunklen auf den Auslöser zu drücken, so wie hier bei Vollmond, auf Mallorca…

2. Kreative Fotografie mit Freunden: 

Mit einer Sache habe ich mich über die Jahre abgefunden: wenn ich mit Foto - Freunden und Bekannten gemeinsam fotografieren gehe, bekomme ich im Wesentlichen nichts mehr gebacken 😅Einzige Ausnahmen sind dabei statische Ansitzhütten und wenn ich mit meiner Frau unterwegs bin…

 

Dafür bin ich viel zu sehr in die interessanten Gespräche verwickelt und lausche den privaten oder fotografischen Anekdoten zu gerne. Das ist auch gar nicht schlimm, ich weiß es mittlerweile und plane es ein.

 

Das heißt im Umkehrschluss aber auch – wenn ich wirklich mal etwas sehr sicher/fokussiert umsetzen möchte, gehe ich auch sehr gerne alleine los. Zumal ich das auch regelmäßig mental brauche und sehr genieße.

 

Wenn ich alleine fotografieren gehe, bin ich auch sehr sprunghaft bei der Perspektivsuche und breche sehr schnell ausgewählte Standorte ab und gehe wieder 100m weiter – das würde auch ich niemanden antun wollen…

3. Höflich zu Mietwagenfirmen zu sein

Leider benötigen wir privat wie gewerblich einige Mietwagen pro Jahr, in unterschiedlichen Ländern. Ich habe mich in meinem Blogartikel zu den Fotoreisen ja bereits mal ein wenig dazu ausgelassen. Nachdem, was wir dort alles erlebt haben, vor allem in Island, traue ich keinem Mietwagenverleiher von Zwölf bis Mittag.

 

Ich glaube sagen zu können, dass ich ein höflicher Mensch bin - doch sobald ich eine solche Bude zur Abholung oder Rückgabe betrete, verwandele ich mich in einen misstrauischen und renitenten Horrorkunden, auf den kein Verkäufer treffen möchte 😅 Ich meine, neben der Abwehr von diversen Abzocke-Strategien geht es ja am Ende auch darum, ein Auto zu haben, das uns sicher von A nach B bringt….

Im Laufe der Zeit…

Ansonsten ist es schön zu sehen, wie viele schöne Erlebnisse nach ein paar Jahren Naturfotografie zusammen kommen. Vor allem wieviel tolle, neue Naturwelten sich auf Reisen, auch innerhalb Europas, erschließen – das ist mir neulich auch bei der Überarbeitung der Website aufgefallen, wo wir alleine in den letzten 15 Jahren waren…

 

Seit 3 Jahren reisen wir etwas anders, als wir das lange Zeit getan haben. Euch ist vielleicht aufgefallen, dass wir seit einiger Zeit vermehrt an gleiche Orte fahren. Erholung ist uns mittlerweile sehr wichtig. Und wir haben ein paar Lieblings-Orte gefunden, an denen Erholung, Wandern und Naturfotografie gut kombinierbar sind – zum Beispiel, weil die Anfahrtswege sehr kurz sind und man auch nicht ständig mit gepackten Koffern zur nächsten Station reisen muss. 

 

Die Stelle auf dem nachfolgenden Bild zum Beispiel ist 8 Gehminuten von der nächsten Hotelzimmertüre entfernt, aber dadurch nicht weniger spektakulär und wunderbar am Atlantik gelegen. 

Eine selbstkritische Schlussbemerkung noch: seitdem ich die Fotografie in Teilen auch gewerblich betreibe, bieten sich viele interessante Möglichkeiten; jedoch merke ich seit ca. 2 Jahren auch, dass meine verfügbare Zeit extrem knapp geworden ist. Auch wenn es nach außen, wegen des regelmäßigen digitalen Contents, manchmal anders wirken mag. Vieles davon ist mittlerweile ein Bestandteil meines Gewerbes.

 

Vor allem denke ich dabei an die Antwortzeiten auf private Mails – die ist unterirdisch und damit bin ich aktuell nicht zufrieden. Aber das wird sich mittelfristig bestimmt lösen können, da es mir wichtig ist und ich dran arbeite…


Nun hoffe ich, dass ein paar interessante Gedanken dabei waren. 


Ich bedanke mich für euer Interesse und sende viele Grüße,
Thomas